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/Title (Alfred Dandyk, Unaufrichtigkeit: Die existentielle Psychoanalyse im Kontext der Philosophiegeschichte)
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/Subject (Alfred Dandyk existentielle Psychoanalyse Philosophiegeschichte)
/Keywords (1/1; "Alfred Dandyk, Unaufrichtigkeit: Die existentielle Psychoanalyse Sartres im Kontext"; "der Philosophiegeschichte, Wrzburg: Knigshausen & Neumann, 2002"; Eine annotierte und kommentierte Zusammenfassung; Alfred Betschart; A\) Zusammenfassung; 1. Vorwort; Sartres Ontologie ist die Voraussetzung fr seine existenzielle Psychoanalyse. Sein Denken; "ist holistisch, was es verbietet, einzelne Themen isoliert zu betrachten. Obwohl Sartre ein"; "ausserordentlich origineller Kopf ist, sind seine berlegungen geprgt von einer"; "Philosophiegeschichte, die bis in die griechische Antike zurckreicht."; 2. Kritik der empirischen Psychoanalyse; "Sartres existenzielle Psychoanalyse ist eine Kritik an der Psychoanalyse Freuds, der er"; "vorwirft, ihre philosophischen Vorarbeiten nicht erledigt zu haben. Mit seiner Trieblehre"; "unterliegt Freud der substantiellen Tuschung, in dem er die Triebe als Substanz im Ich"; "auffasst und nicht als Relation, d.h. als Beziehung zwischen dem menschlichen Bewusstsein"; "und der Welt. Vor allem wirft Sartre Freud aber vor, Wirkursache \(Kausalitt\) und"; Zweckursache \(Finalitt\) nicht sauber voneinander zu trennen. Einerseits sieht Freud im; menschlichen Verhalten die Wirkung und in den Trieben die Ursachen; andererseits gesteht; "er den Trieben jedoch die Fhigkeit zu, ihre Ziele zu verndern. Nach Aristoteles"; unterscheiden wir die Wirkursache von der Zweckursache. Die erstere gilt im Bereich der; "Naturwissenschaften, wo Kausalketten und allgemeine Gesetze gebildet werden knnen. Fr"; die Geisteswissenschaften muss nach Sartre die Zweckursache im Vordergrund stehen. Nur; von seinem Sinn her lsst sich menschliches Handeln verstehen.1 Als Freud dem Zeitgeist; "folgend seine Psychoanalyse als Naturwissenschaft konzipiert, begeht er einen"; schwerwiegenden Fehler. Flaubert ist nicht eine Manifestation abstrakter Gesetze. Sein; Handeln als Individuum kann nicht auf; 1 In der Zeit der Wende um 1900 herum entwickeln verschiedene Philosophen und; "Humanwissenschafter dieses Argument, dass im Humanbereich nicht das Gesetz der Kausalitt,"; sondern jenes der Finalitt im Vordergrund steht. Dazu gehren insbesondere die Vertreter der; Lebensphilosophie. Von Henri Bergson liest Sartre 1923 Essai sur les donnes immdiates de la; "conscience, in dem Bergson prominent den in den Naturwissenschaften und im Humanbereich"; "unterschiedlichen Zeitbegriff behandelt. Es ist dieses Werk, das Sartre dazu bringt, Philosophie statt"; Literatur zu studieren. Aufbauend auf Schleiermacher bezeichnet vor allem Dilthey das Sinnverstehen; als die fr die Geisteswissenschaften spezifische Methode. Damit beeinflusst dieser entscheidend; "Philosophen wie Heidegger, Gadamer und die ganze Hermeneutik. Ein weiterer wichtiger Vertreter"; einer an der Finalitt orientierten Humanwissenschaft ist der Soziologe Max Weber.; Die Unterscheidung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften hinsichtlich ihrer Methode findet sich; bei Sartre spter wieder in seinen Stellungnahme zur Dialektik. Die vertiefte Auseinandersetzung mit; "Hegel ab 1945 betrifft auch die Dialektik. Sartre insistiert vehement, dass die Dialektik nur fr den"; humanwissenschaftlichen Bereich gilt und entgegen Engels Ansichten in den Naturwissenschaften; nichts zu suchen hat \(erstmals in Matrialisme et rvolution 1946; dann wieder in den Cahiers pour; une morale geschrieben 1947-48/verffentlicht 1983 und Marxisme et existentialisme 1961/62\); \(Alle Fussnoten sind meine persnlichen Anmerkungen; A.B.\); 2/2; solche zurckgefhrt werden. Die Vernachlssigung des Individuellen in der Psychologie ist; nach Sartre ein grober Fehler.2; 3. Die phnomenologische Methode; Husserls Phnomenologie ist eine Reaktion auf die damals herrschenden Schulen des; Psychologismus und des Neukantianismus.3 Der Leitgedanke der Phnomenologie war:; "zurck zu den Sachen. Auf der erkenntnistheoretischen Grundlage der Evidenz, d.h. der"; "intuitiven Schau des Gegebenen, beschreibt der Phnomenologe die Phnomene. Eines"; "2 In Sartres Philosophie stehen das Subjekt und der Sinn, den das Subjekt seinen Handlungen und"; "seinem Leben insgesamt gibt, im Zentrum. Die Existenzphilosophie i.w.S. seit Kierkegaard war die"; "erste Philosophie, die das Subjekt so radikal ins Zentrum stellte. In einer Gegenbewegung zum"; "Existenzialismus betonten die Strukturalisten \(Foucault, Lvi-Strauss, Barthes, Althusser\) die"; "Bedeutung der unbewussten Strukturen. Fr sie waren Subjekt und Sinn nur Schaumkronen, die ber"; die alles entscheidenden Strukturen jedoch nichts aussagten. Sartre warf Foucault 1966 in Jean-Paul; "Sartre rpond, entretien avec Bernard Pingaud vor, aus der Geschichte eine Geologie zu machen, in"; "der der Mensch nicht mehr vorkommt. Sartre betonte zwar immer wieder, dass das An-sich resp. das"; Praktisch-Inerte sich gegen den Menschen und die Intention seiner Handlungen richten kann. Doch; "fr ihn war das freie Subjekt mit seinen Handlungen das Schmierl, das die Maschinerie der"; Geschichte am laufen hielt. Deshalb war fr Sartre auch das \(politische\) Engagement des Individuums; "so wichtig eine Ansicht, die Foucault, der punktuell politisch sehr aktiv war, wenn nicht theoretisch,"; so doch praktisch teilte. Mehrfach kam es zwischen Sartre und Foucault in den 70er Jahren zu; "politischer Zusammenarbeit \(gegen Rassismus, fr bessere Haftbedingungen, Grndung der"; Nachrichtenagentur Libration\). Mit seinen Sptwerken L'Usage des plaisirs und Le Souci de soi; \(1984\) rckte Foucault dann wieder das Subjekt und eine an der Selbsttechnik orientierte Ethik ins; Zentrum seiner Betrachtungen.; Den Gegenschlag gegen die Strukturalisten fhrten ab Mitte der 70er Jahre die Nouveaux; "Philosophes \(Glucksmann, Finkielkraut, B. H. Lvy\), die radikal den Menschen und die"; Menschenrechte ins Zentrum ihrer politischen Philosophie stellten. Sie wandten sich auch gegen alle; "jene Linken, die zuliessen, dass zugunsten der Revolution ber Leichen gegangen werden darf, und"; damit auch teilweise gegen Sartre und dessen Version der Verantwortungsethik.; "Neben der spektakulren Nicht-Diskussion zwischen Sartre und Foucault, der oft als Sartres"; "Nachfolger gesehen wurde, gab es jedoch eine wirklich, sich allerdings ber mehrere Jahre \(1960-71\)"; "hinweg ziehende echte Diskussion, jene zwischen Lvi-Strauss und Sartre. Lvi-Strauss kritisierte"; 1962 in La Pense sauvage die Trennung zwischen analytischem und dialektischem denken. Fr; "Lvi-Strauss gibt es letztlich nur analytisches Denken, und in diesem kann der Mensch nur Objekt"; sein. Entsprechend will Lvi-Strauss die Dialektik auch nicht auf den geisteswissenschaftlichen; "Bereich begrenzen. Demgegener hlt Sartre daran fest, dass das analytische Denken, in dem der"; "Mensch nur Objekt ist und das die Einzelwissenschaften auszeichnet, seine Vollendung erst im"; dialektischen Denken findet. In diesem ist der Mensch Subjekt-Objekt. Es fundiert in der Geschichte; und der tglichen Praxis. Wie bei Heidegger hat es einen erlebnishaft-existentiellen Charakter. Dieses; "dialektische Denken ist die Besonderheit der Philosophie, womit Sartre auch die Philosophie gegen"; die Einzelwissenschaften behauptet. Dem Streit liegt letztlich die philosophische Unterscheidung; "zwischen Verstand und vernunft zugrunde. Von Platon bis Kant wurde der Verstand \(noesis,"; "intellectus, franz. entendement\) als Wesenserkenntnis hher als die Vernunft \(dianoia, ratio, franz."; raison\) als begriffliche-diskursive Bestimmung aufgefasst. Mit Kant dreht sich dieses Verstndnis. Der; "Verstand als an Sinneseindrcke gebundenes Erkenntnisvermgen steht unter der Vernunft, die"; "imstande ist, unabhngig von der Erfahrung Schlsse zu ziehen. Hegel verband dann die Vernunft mit"; "der Dialektik. Der Verstand steht fr das positive, bestimmende Denken, die Vernunft fr das negativdialektische,"; das sich in der Geschichte verwirklicht. In der Diskussion mit Lvi-Strauss bernahm; Sartre Hegels Grundpositionen \(wenn auch in der marxistischen Version\) gegen dessen; "positivistische, szientistische Haltung."; 3 Das Aufkommen der Naturwissenschaften im 19. Jh. bildet eine schwere Bedrohung fr die; Philosophie als Mutter der Wissenschaften. Diese droht auf den Status einer Hilfswissenschaft; "abzusinken. Der Psychologismus verneint radikal die Mglichkeit eines unabhngigen, freien"; "Denkens. Denken kann nicht mehr wahr oder falsch sein, sondern ist nur durch Motivationen"; "begrndet. Der Neukantianismus versucht die Selbstndigkeit der Philosophie zu retten, indem er auf"; Kant und seine Trennung zwischen sinnlicher Wahrnehmung und Verstandesvorstellungen; "zurckgreift. Zu letzteren gehren die Kategorien der Quantitt, Qualitt, Relation und Modalitt, die"; "erst All-Stze, Verneinung, Kausalitt, Mglichkeit oder Notwendigkeit zulassen."; 3/3; "definitiven Urteils, ob den Phnomenen wirklich Dinge an sich entsprechen, enthlt sich"; jedoch Husserl. Diese Einklammerungsstrategie bezeichnet Husserl als epoch. 4 Von der; Einzelanschauung gelangt Husserl zum Allgemeinen durch die eidetische Reduktion.; "Husserls Methode hat gewisse Gemeinsamkeiten mit jener Descartes \(cogito, ergo sum: ich"; "denke, also bin ich\). Wie Descartes ist auch Husserl ein Dualist, in dem er dem Bewusstsein"; = cogito die ussere Welt entgegenstellt. Fr beide beruht die Erkenntnis des cogito letztlich; auf Evidenz. Fr Husserl ist jedoch der Schluss vom Phnomen des Ichs auf die Substanz; "des Ichs nicht zulssig. Zudem lehnt Husserl Descartes Rekurs auf Gott, der ihm die"; letztliche Basis fr die Gewissheit des Ichs gibt sowie die Bedeutung der mathematischen; "Methode ab. Als dies, sowohl in den bereinstimmungen wie in den Gegenstzen,"; "bernimmt Sartre von Husserl. Was Sartre mit Husserl eint, ist, dass sie beide von"; Descartes cogito ausgehen.5; Heideggers Verstndnis der Phnomenologie unterscheidet sich stark von jenem Husserls; "und Sartres, obwohl er von Husserl ausging. Das Zurck zu den Sachen selbst wird bei ihm"; zu einer Rckkehr zu den Ursprngen der abendlndischen Philosophie in der griechischen; Antike. Heidegger geht hinter die seit Descartes in der modernen Philosophie blichen; Zweifel an der Mglichkeit wahrer Erkenntnis zurck. Im Phnomen erkenne ich nach; Heidegger unmittelbar sowohl das Individuelle wie das Allgemeine. Es ist nichts verborgen.; "Der Mensch hat einen direkten Weltbezug, ein In-der-Welt-sein. Es handelt sich hierbei um"; ein vorontologisches und damit vorwissenschaftliches Verstehen. Die Aufgabe der; Phnomenologie ist die Auslegung dieses vorontologischen Verstehens durch die; "Hermeneutik. Heidegger verzichtet auf den Begriff des Bewusstseins, was eine grosse"; "Differenz zu Sartre schafft, fr den das Fr-sich von entscheidender Bedeutung ist."; "Husserls Philosophie ist eine des Bewusstseins, Heideggers eine des Seins. Sartre sucht"; beide zu verbinden und eine Philosophie des Seins und Bewusstseins zu schaffen. 6 Mit; "Husserl und Descartes hat Sartre gemein, dass er vom cogito, dem Bewusstsein ausgeht."; Doch fr ihn beschrnkt sich Husserl zu ngstlich auf die reine Beschreibung. Husserl; "komme deshalb nicht aus seinem cogito heraus, weshalb er immer nahe am Idealismus"; Kants sei. Mit Heidegger betont Sartre deshalb die unmittelbare Erkenntnis der Dinge an; "sich. Diese sind real, nicht bloss Phnomene."; 4. Wahrheitstheoretische berlegungen; Am Anfang von Sartres Erkenntnistheorie stehen Descartes und Heidegger. Nur das; "cartesianische cogito kann absolute Gewissheit gewhren. Es ist das momentane Erleben,"; "von Descartes als Intuition bezeichnet, auf dem Erkenntnis beruht. Diese Auffassung steht"; "auch am Anfang von Husserls Phnomenologie, wie er sie in seinen Cartesianischen"; Meditationen entwickelte. Die absolute Gewissheit des cogito basiert bei Descartes jedoch; "auf Gott, ohne den alles in schreckliche Ungewissheit strze. Dies ist ein Schritt, den sowohl"; "Sartre wie Husserl ablehnen. Husserl anerkennt jedoch die Beschrnktheit jeder Gewissheit,"; "die auf dem cogito basiert. Um der Wahrheitsfrage zu entgehen, entscheidet sich Husserl"; "dafr, diese Frage einzuklammern. Damit beschrnkt sich Husserl jedoch auf einen reinen"; "Phnomenismus, was ihn fr manchen in einen Bewusstseinsidealismus abgleiten lsst."; Heidegger teilt diese Kritik an Husserl. Er bricht deshalb radikal mit dem cartesianischen; "cogito. An seine Stelle setzt er das In-der-Welt-Sein, eine ursprngliche, lebensweltliche"; Vertrautheit des Menschen mit seiner Umwelt. Heidegger verzichtet auf ein vermittelndes; Bewusstsein. Wahrheit ist fr ihn Unverborgenheit. Der Mensch erschliesst sich die Welt; 4 Die Einklammerung ist eher eine Ausklammerung der Frage.; "5 Da er wie Husserl vom cogito Descartes ausgeht, kann Sartre selbst mit 70 noch sagen, dass er"; Cartesianer sei.; "6 Deshalb auch der Titel Ltre et le nant \(Das Sein und das Nichts\): Das Sein=An-sich=Dinge, Das"; Nichts=Fr-sich=Bewusstsein.; 4/4; durch intuitive Evidenz. Evidenz war seit der Antike bis und mit Thomas von Aquin im; Mittealter das wichtigste Wahrheitskriterium. Mit der Zurckweisung von Descartes; Fragestellung nach der letzten Gewissheit subjektiver Erkenntnis verschiebt sich fr; Heidegger auch der Kern der Philosophie. Nicht die Frage nach der Mglichkeit der; "Erkenntnis, die seit Descartes vorherrscht, steht bei ihm im Zentrum, sondern die Frage nach"; "dem Sein, noch genauer die Frage nach dem Sinn von Sein. Durch die Einklammerung der"; Seinsfrage hatte fr Heidegger Husserl nur einen ersten Schritt in die richtige Richtung; getan.; "Sartre verbindet Descartes, Husserl und Heidegger miteinander. Auch fr ihn ist die intuitive"; Evidenz die Grundlage jeder Wahrheitstheorie.7 Von Descartes hlt er mit Husserl die; Trennung von Bewusstsein und Sein bei. Heideggers Ablehnung des Bewusstseinsbegriffs; teilt er nicht. Die Verbindung der gegenstzlichen Theorien von Descartes und Heidegger; "gelingt ihm durch den neuen Begriff des prreflexiven Bewusstseins. In diesem Bewusstsein,"; "das jedem Nachdenken ber das eigene Bewusstsein vorausgeht, ist die Welt uns im Sinne"; Heideggers unmittelbar evident. Das prreflexive Bewusstsein ist ein Bewusstsein des; "reinen Erlebens. Ein Nachdenken ber sich selbst wie im cogito, ergo sum gehrt jedoch in"; "das reflexive Bewusstsein.8 Husserls reinen Phnomenismus, der sich ber das Sein der"; "Dinge nicht ussern will, lehnt Sartre ab. Fr Sartre sind in seiner stark lebensweltlichen"; "Philosophie die Dinge nicht bloss Phnomene, sondern wir erleben sie real. Von Descartes"; unterscheidet sich Sartre auch durch die Ablehnung des cartesianischen Rckgriffs auf Gott; und der mathematisch-deduktiven Methode. Neben der Ablehnung von Heideggers Verzicht; "auf den Bewusstseinsbegriff unterscheidet sich Sartre von diesem auch dadurch, dass fr"; ihn das Sein wesentlich kontingent und sinnlos ist.; 5. Leitgedanke der existentiellen Psychoanalyse; "Der Mensch ist eine Einheit. Er lsst sich nicht in Einzelteile zerlegen, wie dies bei Freud mit"; Bewusstsein-Unbewusstes oder Es-Ich-ber-Ich geschieht. Die Einheit des Menschen; drckt sich aus in seinem Entwurf. Mittels des Entwurfes transzendiert der Mensch seine; faktische Existenz. In ihm entwirft sich der Mensch auf seine Zukunft hin. Im Entwurf sind alle; "drei Zeiten gegenwrtig, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.9 In einer Urwahl"; "7 Damit verbunden ist, dass Sartre mit dem linguistic turn der Philosophie im 20. Jh. \(Wittgenstein etc.\)"; "nichts anfangen konnte. Die Sprache ist ein reines Instrument, etwas auszudrcken. Sartre beharrte"; "vielmehr darauf, dass jeder Mensch jeden Menschen verstehen kann \(cf. Kap. 18\)"; 8 Die Quellen der Unterscheidung zwischen dem prreflexiven und dem reflexivem Bewusstsein liegt; "in der mittelalterlichen Philosophie, die intentio recta \(direkte Denkbewegung ohne Reflexion\) und"; intentio obliqua \(reflexive Denkbewegung\) unterschied. Brentano und Nicolai Hartmann haben diese; Differenzierung wieder reaktiviert.; "Lacan macht eine hnliche Unterscheidung. Als Folge des Spiegelstadiums, whrend dem sich das"; "Kind als selbstndige Einheit und als Individuum erkennt, kommt es zu einer Spaltung des Ichs in ein"; "je und ein moi. Das je steht fr das unbewusste \(nach Sartre prreflexive\), soziale Ich-Subjekt,"; "whrend das moi fr das reflektierte, idealisierte Ich-Objekt steht. In Transcendance de lgo, die"; "Sartre 1934 verfasst und 1937 verffentlichen kann, gebraucht er denselben Gegensatz von je und"; "moi wie Lacan, der diese Ausdrcke erstmals 1936 in Au-del du principe de ralit verwendet."; "9 Mit Bergson \(und Heidegger\) ist Sartre der Ansicht, dass sich Vergangenheit, Gegenwart und"; "Zukunft nicht voneinander trennen lassen, sondern sich auch in der jeweils anderen Zeit zeigen. Auch"; "wenn grundstzlich gilt, dass die Faktizitt fr die Vergangenheit steht, die Transzendenz fr die"; "Zukunft, die Situation fr die Gegenwart, der Entwurf in die Zukunft um ein Beispiel zu nehmen "; muss Vergangenheit und Gegenwart bercksichtigen. Am deutlichsten zeigt die gegenseitige; Verhngung der Zeiten im Falle der Situation. Jede Situation als Gegenwart ist bestimmt durch die; "Faktizitt \(An-sich, Vergangenheit\) und die Transzendenz \(Fr-sich, Entwurf, Zukunft\). In der Situation"; manifestiert sich auch die Geschichtlichkeit jeglichen Seins. Sartres Philosophie verfgt ber eine voll; "ausgebildete Zeitlichkeit mit allen drei Zeiten. Im Gegensatz zu Heidegger, wo die Gegenwart sehr"; "blass ist. Bei Sartre steht die Gegenwart nicht fr ein abstraktes In-der-Welt-sein, sondern fr ein ganz"; "konkretes, situativ genau bestimmtes."; 5/5; "konstituiert der Mensch seine eigene Individualitt, bestimmt er, was er sein will. Diese"; Urwahl ist jeder Zeit widerrufbar und muss deshalb immer wieder besttigt werden. Jede; Handlung ist damit auch eine Stellungnahme zur Urwahl. Der Entwurf geschieht im Rahmen; einer bestimmten Situation. Die Situation unterscheidet sich vom naturwissenschaftlichen; "Begriff der Umwelt dadurch, dass sie immer eine gedeutete Umwelt ist. Die Urwahl ist immer"; bewusst. Auch wenn sie nicht immer erkannt ist. Denn der Entwurf wird primr erlebt und; "genossen, nicht erkannt.10 Er ist die Art meines In-der-Welt-seins. Er ist Teil des"; "prreflexiven Bewusstseins, des Erlebens und grenzt sich somit vom Unbewussten Freuds"; wie von der reflexiven Erkenntnis Descartes ab.; 6. Das In-der-Welt-sein des Menschen; "Fr Heidegger ist menschliches Sein gleich Dasein, In-der-Welt-sein. Dieses ist wesentlich"; mit der Lebenswelt verknpft. Das Sein des Menschen ist mehr als nur Vorhandensein.11 Es; ist von Verstehen gekennzeichnet. Die Existenz des Menschen ist gekennzeichnet von; einem Vorverstndnis der Welt und von sich. Das Verstehen der Welt erfolgt nicht im Modus; "des Erkennens, sondern durch Erleben. Heideggers Position ist jener Descartes"; "entgegengesetzt. Es gibt fr ihn kein Bewusstsein. Nicht das cogito, sondern das In-der-"; Welt-sein ist Heideggers Ausgangspunkt. Der Mensch ist Weltwesen und nicht; solipsistisches Bewusstsein. Fr Descartes Unterscheidung von res extensa \(ausgedehnter; "Substanz\) und res cogitans \(denkender Substanz\), die sich bei Sartre abgewandelt als Ansich"; "und Fr-sich wiederfinden, hat er nur Kritik brig. Zum Sein des Menschen gehrt die"; Befindlichkeit. Der Lastcharakter des Daseins drckt sich im Begriff der Sorge aus. Wie; "schon bei Pascal, Schopenhauer oder Kierkegaard erschliesst sich dem Menschen durch"; seine Stimmungen sein Sein. Der Mensch ist in eine Situation geworfen \(Faktizitt\) und sich; selbst berantwortet. Es gibt keine vorherbestimmte Antwort auf die Frage nach dem Woher; und Wozu. Wir mssen unsere Mglichkeiten selbst entwerfen \(Existenzialitt\).; In vielen Punkten greift Sartre Heideggers Thesen auf. Der Mensch ist in eine Situation; geworfen. Der Mensch hat einen unmittelbaren Zugang zur Welt. Alltagswissen und Kunst; sind gegenber einem szientistischen Vorgehen keine zweitrangigen Quellen menschlicher; "Erfahrung. Den Stimmungen kommt, wie sein Roman La Nause belegt, auch bei Sartre"; eine hohe Bedeutung zu. Den Begriff der Geworfenheit untermauert er mit jenem der; "Kontingenz, d.h. der Zuflligkeit, womit Sartre jeder auf Gott oder einem objektiven"; Idealismus beruhenden Notwendigkeit eines menschlichen Soseins eine Absage erteilt.12 Die; Strung der Vertrautheit mit den Dingen als Zuhandenem und nicht bloss Vorhandenem; "findet bei Sartre noch eine Vertiefung, wie er in Huis clos mit der Entsinnlichung des Zeugs"; und der Entstehung einer Deprivationswelt zeigt. In einem wichtigen Punkt allerdings; unterschiedet sich Sartre von Heidegger: Sartre beharrt auf dem Begriff des Bewusstseins.; Das In-der-Welt-sein ist bei Sartre ein Bewusstsein-des-in-der-Welt-seins.; 10 In den 60er Jahren entwickelt Sartre das Konzept von le vcu \(das Erlebte\). Le vcu steht fr die; "wohl verstandene, aber reflexiv nie erkannte Innenwelt des Menschen. Mit diesem Begriff findet"; "auch eine Wiederannherung an Freud statt, da die nicht erkannte Innenwelt eine gewisse hnlichkeit"; zu Freuds Unbewussten hat.; "Auch wenn der Entwurf nicht unbedingt erkannt wird, so ist er doch verstndlich. Nach Sartre kann"; "jeder Entwurf, auch der eines Menschen aus einer anderen Kultur, verstanden werden."; 11 Dasein entspricht bei Heidegger deshalb nicht dem Begriff der Existenz in der aristotelischen und; thomistischen Philosophie. Da Sartre diese Unterscheidung von Existenz und Essenz \(Dasein und; "Sosein\) in LExistentialisme est un humanisme bemht \(wie Dandyk meint, wahrscheinlich nur ein"; "daneben geratener Versuche, seine Philosophie dem Publikum leicht erklren zu knnen\), kritisiert ihn"; Heidegger hierfr in seinem Brief ber den Humanismus.; "12 Sartre ist im Gegensatz zu Heidegger erklrter Atheist, whrend fr Heidegger eher gilt, dass er"; A-Theist ist. Sartres in LExistentialisme est un humanisme vorgenommene Unterscheidung von; "atheistischen \(Sartre, Heidegger\) und christlichen Existenzialisten \(Jaspers, Marcel\) ist zumindest"; etwas grobschlchtig.; 6/6; 7. Sartres Ontologie; Als Ontologe steht Sartre ganz in der abendlndischen Tradition. Seit den alten Griechen; besteht das Seinsproblem in der Frage nach dem Verhltnis zwischen dem Sein und den; Phnomenen resp. nach der eigentlichen Natur des Seins. Nach den ionischen; "Naturphilosophen \(Wasser, Luft als Urstoff = arch\) gibt es bald solche, die abstraktere"; "Antworten bevorzugen: Pythagoras \(Zahlenverhltnis\), Parmenides \(das wahre Sein als"; "unbewegliches, unvernderliches, ewiges Sein\), Demokrit \(die Welt besteht aus kleinen"; unteilbaren und unvernderlichen Teilen = a-tomos; "Atome\), Platon \(die Ideen als das"; "unvernderliche Sein, die Phnomene als deren nur unvollkommene Abbilder\), Aristoteles"; \(Platons Ideen sind in den Dingen: Gegensatz von ewiger Materie/Substanz und mglicher; Form/Akzidentien; Gott als der ursprngliche Beweger\). Nachdem das Mittelalter weitgehend; "Platon und Aristoteles reproduziert13, bringt Descartes eine Wende. Am Ursprung seiner"; "Philosophie finden wir den Gegensatz von res cogitans \(Bewusstsein, mit angeborenen"; "Ideen\) und res extensa \(die materielle Aussenwelt\), den wir bei Sartre als Fr-sich und Ansich"; "wiederfinden. Descartes, der wohl franzsischste aller Philosophen, war der Begrnder"; der modernen idealistischen und rationalistischen Philosophie. Im Gegensatz zu ihm; "vertraten Hobbes, Locke und Hume materialistische, empiristische resp. skeptizistische"; "Auffassungen. Der Mensch ist durch die Materie determiniert. Ideen sind nicht angeboren,"; sondern Produkte des Menschen resp. seiner Sinne. Kants Lsung ist eine des; Kompromisses zwischen den Rationalisten und den skeptischen Empiristen. Kant; "unterscheidet zwischen dem Ding als Erscheinung und dem Ding an sich, wobei letzteres"; "uns unzugnglich ist. Das Ding als Erscheinung richtet sich nach den Formen \(Raum, Zeit\)"; "und den Kategorien \(u.a. Ursache, Wirkung, wesentlich, zufllig, mglich, notwendig\) des"; "Verstandes. Fichte \(das Sein als das absolute, unendliche Ich\) und Hegel \(das Absolute als"; "Identitt von Sein/Denken, Subjekt/Objekt, Essenz/Existenz\) nehmen demgegenber rein"; "idealistische Positionen ein. Dagegen wehren sich einerseits Schopenhauer und Nietzsche,"; bei denen der Wille \(Nietzsche: Wille zur Macht\) und Stimmungen statt Verstand und; Vernunft im Vordergrund stehen. Sie postulieren auch einen direkten Zugang des Menschen; zur Welt. Im Gegensatz zu Hegel stehen auch Kierkegaard und Marx. Fr Kierkegaard gibt; "es Logik nur im Bereich des Allgemeinen, whrend sie das Individuelle der Existenz nicht"; "erfassen kann, da das Individuum unreduzierbar ist. Marx stellt Hegel auf die Fsse, indem"; er den Menschen als Produkt der Natur und durch die Arbeit gleichzeitig als Schpfer seiner; "eigenen Umwelt sieht, die sich allerdings als entfremdete Umwelt auch gegen ihn selbst"; "richten kann. Noch einen Schritt weiter geht der Neopositivismus, indem er die Philosophie"; "selbst in Frage stellt. Alles was nicht verifiziert werden kann, so alle ontologischen Fragen,"; haben ihre Ursache nur in einer Verwirrung der Sprache.; In Ltre et le nant setzt sich Sartre mit diesen verschiedenen ontologischen Anstze; "auseinander, manchmal in positivem, manchmal in ablehnendem Sinne. Platons Dialektik"; von Sein und Nicht-Sein findet sich bei Sartre wieder. Jeglichen Rekurs auf Gttliches wie; "bei Platon, Aristoteles oder Descartes lehnt er jedoch ab. In seiner Freiheitstheorie gibt es"; "zwar Parallelen zu Kants Autonomie des Menschen, doch dessen Begriff des Dings an sich"; stsst bei Sartre auf Opposition. Die existentialistische Kritik Kierkegaards an Hegel begrsst; "er, versucht aber zwischen den beiden zu vermitteln. Sartres Theorie des Entwurfs siedelt"; Dandyk wiederum in der Nhe von Fichtes Vorstellung des absoluten Ichs an. Wie sich auch; an Sartres vermittelnden Haltung zwischen Descartes \(fr das Bewusstsein\) und Heidegger; "\(fr einen unmittelbaren Zugang zur Welt\) erkennen lasse, sei Sartre ein extremer Dialektiker"; "der Philosophiegeschichte. Was das Verhltnis von Sein und Phnomenen anbetrifft, vertritt"; "Sartre eine sehr differenzierte Position. Mit den Operationalisten ist er der Ansicht, dass das"; "13 Bemerkenswert ist der Universalienstreit im Mittelalter. Die Nominalisten \(Roscelin, Abaelard\)"; vertraten gegen die mittelalterlichen Platoniker \(Anselm von Canterbury\) und Aristoteliker \(Thomas; "von Aquin\) die Auffassung, dass die Allgemeinbegriffe bloss zusammenfassende Worte seien, denen"; keinerlei Wirklichkeit zu kommt. Unter den Philosophen der Zeit vor Descartes stehen die; Nominalisten des Mittelalters zusammen mit den Sophisten der griechischen Antike Sartre zweifellos; am nchsten. Im LIdiot de la famillle spricht Sartre von seinem nominalistischen Standpunkt.; 7/7; Sein in den Phnomenen gegenwrtig ist und es keine Welt hinter den Phnomenen gibt.; "Ihre Haltung, dass sich das Sein auf das Phnomen reduziere, ist fr Sartre aber"; unannehmbar. Vielmehr verweist Sartre auf die Transphnomenalitt des Seins. Das Sein; lst sich nicht im Phnomen auf. Die Dinge sind unabhngig von der Wahrnehmung. Das; "Phnomen zeigt sich so, wie es ist. Wir erfassen dies intuitiv mittels unseres"; vorontologischen Verstndnisses. Damit versucht Sartre den Phnomenismus Husserls mit; "einer Theorie der Hinterwelten, der Theorie einer Welt hinter den Phnomenen, zu"; verbinden. Eine Implikation dieser Auffassung von Sein und Phnomen ist Sartres; Ablehnung der aristotelischen Begriffe von Potentialitt und Aktualitt. Es gibt kein Wesen in; "einem Seienden. Das Genie Prousts ist nicht sein Vermgen, sondern das Werk Prousts als"; Manifestation seiner Person. Entsprechend wie Sartre in Huis clos aufzeigte ist der; "Mensch das, was er getan hat. Und nochmals verweist Dandyk auf die Bedeutung der"; "Stimmungen bei Sartre, wie sie zuvor schon Pascal, Schopenhauer und Heidegger kannten."; "Stimmungen wie Ekel, Langeweile, Scham, Mitleid, Begierde erschliessen dem Menschen"; "seine Seinsweise im Gegensatz zu Husserl, der mit Stimmungen wenig anfangen konnte"; und mittels der epoch alle Seinsurteile einklammerte. Dass Heidegger wieder die; "Bedeutung der Seinsfrage hervorgehoben hatte, ist nach Sartre Heideggers grosses"; Verdienst im Vergleich zu Husserls Phnomenismus.; 8. Gegen Berkeley; "Berkeley bestreitet die Existenz usserer materieller Objekte. Esse est percipi, Sein ist"; Wahrgenommen werden. Die menschliche Wahrnehmung ist nur eine Modifikation der; Vorstellungen Gottes. Sartre bestreitet dies und beharrt sowohl gegenber Berkeley wie; gegenber Husserl und dessen Einklammerung der Seinsfrage auf der Transphnomenalitt; des Seins.; 9. Das prreflexive Bewusstsein; "Whrend Erkennen reflexiv ist, ist Erleben prreflexiv. Dieser Unterschied zwischen"; reflexivem und prreflexivem Bewusstsein ist zentral fr Sartres Philosophie. Ersteres ist das; "reflektierende Nachdenken ber sich, letzteres das Bewusstsein von den Dingen und nicht"; reflektierendes Bewusstsein \(von\) sich. Es ist direktes Weltbewusstsein und umfasst insofern; "Heideggers In-der-Welt-Sein. Diese Unterscheidung ist spezifisch fr Sartre, findet sich"; jedoch schon hnlich bei Nicolai Hartmanns Unterscheidung von intentio recta und intentio; obliqua.; 10. Gegen Descartes; Sartre lehnt Descartes substanzialisierten Begriff des cogito ab. Auch lassen sich fr Sartre; die Dinge der Welt und das prreflexive Bewusstsein nicht voneinander trennen. Vielmehr; findet das Bewusstsein seine Sttze im An-sich. Das Bewusstsein ist keine frei ber der Welt; "schwebende Entitt, sondern durch den Bezug zu dieser Welt definiert. Und"; selbstverstndlich lehnt Sartre auch Descartes Theismus ab.; 11. Das An-sich-sein14; "Das An-sich kann dreifach bestimmt werden. Erstens, es ist an sich, d.h. es hat keinen"; "Bezug zu sich selbst. Es ist reine Positivitt, Seinsflle. Zweitens, es ist das, was es ist. Als"; solches ist es bloss. Alleine kann es nicht werden. Frs Werden ist immer ein Zeuge ntig.; "Drittens, es ist, d.h. es ist kontingent, ohne Bezug zum Mgl")
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Alfred Dandyk, Unaufrichtigkeit: Die existentielle Psychoanalyse Sartres im Kontext
der Philosophiegeschichte, Würzburg: Königshausen & Neumann, 2002
Eine annotierte und kommentierte Zusammenfassung
Alfred Betschart
A) Zusammenfassung
1. Vorwort
Sartres Ontologie ist die Voraussetzung für seine existenzielle Psychoanalyse. Sein Denken
ist holistisch, was es verbietet, einzelne Themen isoliert zu betrachten. Obwohl Sartre ein
ausserordentlich origineller Kopf ist, sind seine Überlegungen geprägt von einer
Philosophiegeschichte, die bis in die griechische Antike zurückreicht.
2. Kritik der empirischen Psychoanalyse
Sartres existenzielle Psychoanalyse ist eine Kritik an der Psychoanalyse Freuds, der er
vorwirft, ihre philosophischen Vorarbeiten nicht erledigt zu haben. Mit seiner Trieblehre
unterliegt Freud der „substantiellen Täuschung“, in dem er die Triebe als Substanz im Ich
auffasst und nicht als Relation, d.h. als Beziehung zwischen dem menschlichen Bewusstsein
und der Welt. Vor allem wirft Sartre Freud aber vor, Wirkursache (Kausalität) und
Zweckursache (Finalität) nicht sauber voneinander zu trennen. Einerseits sieht Freud im
menschlichen Verhalten die Wirkung und in den Trieben die Ursachen; andererseits gesteht
er den Trieben jedoch die Fähigkeit zu, ihre Ziele zu verändern. Nach Aristoteles
unterscheiden wir die Wirkursache von der Zweckursache. Die erstere gilt im Bereich der
Naturwissenschaften, wo Kausalketten und allgemeine Gesetze gebildet werden können. Für
die Geisteswissenschaften muss nach Sartre die Zweckursache im Vordergrund stehen. Nur
von seinem Sinn her lässt sich menschliches Handeln verstehen.1 Als Freud dem Zeitgeist
folgend seine Psychoanalyse als Naturwissenschaft konzipiert, begeht er einen
schwerwiegenden Fehler. Flaubert ist nicht eine Manifestation abstrakter Gesetze. Sein
Handeln als Individuum kann nicht auf
1 In der Zeit der Wende um 1900 herum entwickeln verschiedene Philosophen und
Humanwissenschafter dieses Argument, dass im Humanbereich nicht das Gesetz der Kausalität,
sondern jenes der Finalität im Vordergrund steht. Dazu gehören insbesondere die Vertreter der
Lebensphilosophie. Von Henri Bergson liest Sartre 1923 Essai sur les données immédiates de la
conscience, in dem Bergson prominent den in den Naturwissenschaften und im Humanbereich
unterschiedlichen Zeitbegriff behandelt. Es ist dieses Werk, das Sartre dazu bringt, Philosophie statt
Literatur zu studieren. Aufbauend auf Schleiermacher bezeichnet vor allem Dilthey das Sinnverstehen
als die für die Geisteswissenschaften spezifische Methode. Damit beeinflusst dieser entscheidend
Philosophen wie Heidegger, Gadamer und die ganze Hermeneutik. Ein weiterer wichtiger Vertreter
einer an der Finalität orientierten Humanwissenschaft ist der Soziologe Max Weber.
Die Unterscheidung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften hinsichtlich ihrer Methode findet sich
bei Sartre später wieder in seinen Stellungnahme zur Dialektik. Die vertiefte Auseinandersetzung mit
Hegel ab 1945 betrifft auch die Dialektik. Sartre insistiert vehement, dass die Dialektik nur für den
humanwissenschaftlichen Bereich gilt und entgegen Engels’ Ansichten in den Naturwissenschaften
nichts zu suchen hat (erstmals in Matérialisme et révolution 1946; dann wieder in den Cahiers pour
une morale geschrieben 1947-48/veröffentlicht 1983 und Marxisme et existentialisme 1961/62)
(Alle Fussnoten sind meine persönlichen Anmerkungen; A.B.)
2/2
solche zurückgeführt werden. Die Vernachlässigung des Individuellen in der Psychologie ist
nach Sartre ein grober Fehler.2
3. Die phänomenologische Methode
Husserls Phänomenologie ist eine Reaktion auf die damals herrschenden Schulen des
Psychologismus und des Neukantianismus.3 Der Leitgedanke der Phänomenologie war:
zurück zu den Sachen. Auf der erkenntnistheoretischen Grundlage der Evidenz, d.h. der
intuitiven Schau des Gegebenen, beschreibt der Phänomenologe die Phänomene. Eines
2 In Sartres Philosophie stehen das Subjekt und der Sinn, den das Subjekt seinen Handlungen und
seinem Leben insgesamt gibt, im Zentrum. Die Existenzphilosophie i.w.S. seit Kierkegaard war die
erste Philosophie, die das Subjekt so radikal ins Zentrum stellte. In einer Gegenbewegung zum
Existenzialismus betonten die Strukturalisten (Foucault, Lévi-Strauss, Barthes, Althusser) die
Bedeutung der unbewussten Strukturen. Für sie waren Subjekt und Sinn nur Schaumkronen, die über
die alles entscheidenden Strukturen jedoch nichts aussagten. Sartre warf Foucault 1966 in Jean-Paul
Sartre répond, entretien avec Bernard Pingaud vor, aus der Geschichte eine Geologie zu machen, in
der der Mensch nicht mehr vorkommt. Sartre betonte zwar immer wieder, dass das An-sich resp. das
Praktisch-Inerte sich gegen den Menschen und die Intention seiner Handlungen richten kann. Doch
für ihn war das freie Subjekt mit seinen Handlungen das Schmieröl, das die Maschinerie der
Geschichte am laufen hielt. Deshalb war für Sartre auch das (politische) Engagement des Individuums
so wichtig – eine Ansicht, die Foucault, der punktuell politisch sehr aktiv war, wenn nicht theoretisch,
so doch praktisch teilte. Mehrfach kam es zwischen Sartre und Foucault in den 70er Jahren zu
politischer Zusammenarbeit (gegen Rassismus, für bessere Haftbedingungen, Gründung der
Nachrichtenagentur Libération). Mit seinen Spätwerken L'Usage des plaisirs und Le Souci de soi
(1984) rückte Foucault dann wieder das Subjekt und eine an der Selbsttechnik orientierte Ethik ins
Zentrum seiner Betrachtungen.
Den Gegenschlag gegen die Strukturalisten führten ab Mitte der 70er Jahre die Nouveaux
Philosophes (Glucksmann, Finkielkraut, B. H. Lévy), die radikal den Menschen und die
Menschenrechte ins Zentrum ihrer politischen Philosophie stellten. Sie wandten sich auch gegen alle
jene Linken, die zuliessen, dass zugunsten der Revolution über Leichen gegangen werden darf, und
damit auch teilweise gegen Sartre und dessen Version der Verantwortungsethik.
Neben der spektakulären Nicht-Diskussion zwischen Sartre und Foucault, der oft als Sartres
Nachfolger gesehen wurde, gab es jedoch eine wirklich, sich allerdings über mehrere Jahre (1960-71)
hinweg ziehende echte Diskussion, jene zwischen Lévi-Strauss und Sartre. Lévi-Strauss kritisierte
1962 in La Pensée sauvage die Trennung zwischen analytischem und dialektischem denken. Für
Lévi-Strauss gibt es letztlich nur analytisches Denken, und in diesem kann der Mensch nur Objekt
sein. Entsprechend will Lévi-Strauss die Dialektik auch nicht auf den geisteswissenschaftlichen
Bereich begrenzen. Demgegenüer hält Sartre daran fest, dass das analytische Denken, in dem der
Mensch nur Objekt ist und das die Einzelwissenschaften auszeichnet, seine Vollendung erst im
dialektischen Denken findet. In diesem ist der Mensch Subjekt-Objekt. Es fundiert in der Geschichte
und der täglichen Praxis. Wie bei Heidegger hat es einen erlebnishaft-existentiellen Charakter. Dieses
dialektische Denken ist die Besonderheit der Philosophie, womit Sartre auch die Philosophie gegen
die Einzelwissenschaften behauptet. Dem Streit liegt letztlich die philosophische Unterscheidung
zwischen Verstand und vernunft zugrunde. Von Platon bis Kant wurde der Verstand (noesis,
intellectus, franz. entendement) als Wesenserkenntnis höher als die Vernunft (dianoia, ratio, franz.
raison) als begriffliche-diskursive Bestimmung aufgefasst. Mit Kant dreht sich dieses Verständnis. Der
Verstand als an Sinneseindrücke gebundenes Erkenntnisvermögen steht unter der Vernunft, die
imstande ist, unabhängig von der Erfahrung Schlüsse zu ziehen. Hegel verband dann die Vernunft mit
der Dialektik. Der Verstand steht für das positive, bestimmende Denken, die Vernunft für das negativdialektische,
das sich in der Geschichte verwirklicht. In der Diskussion mit Lévi-Strauss übernahm
Sartre Hegels Grundpositionen (wenn auch in der marxistischen Version) gegen dessen
positivistische, szientistische Haltung.
3 Das Aufkommen der Naturwissenschaften im 19. Jh. bildet eine schwere Bedrohung für die
Philosophie als „Mutter der Wissenschaften“. Diese droht auf den Status einer Hilfswissenschaft
abzusinken. Der Psychologismus verneint radikal die Möglichkeit eines unabhängigen, freien
Denkens. Denken kann nicht mehr wahr oder falsch sein, sondern ist nur durch Motivationen
begründet. Der Neukantianismus versucht die Selbständigkeit der Philosophie zu retten, indem er auf
Kant und seine Trennung zwischen sinnlicher Wahrnehmung und Verstandesvorstellungen
zurückgreift. Zu letzteren gehören die Kategorien der Quantität, Qualität, Relation und Modalität, die
erst All-Sätze, Verneinung, Kausalität, Möglichkeit oder Notwendigkeit zulassen.
3/3
definitiven Urteils, ob den Phänomenen wirklich Dinge an sich entsprechen, enthält sich
jedoch Husserl. Diese Einklammerungsstrategie bezeichnet Husserl als epochè. 4 Von der
Einzelanschauung gelangt Husserl zum Allgemeinen durch die eidetische Reduktion.
Husserls Methode hat gewisse Gemeinsamkeiten mit jener Descartes (cogito, ergo sum: ich
denke, also bin ich). Wie Descartes ist auch Husserl ein Dualist, in dem er dem Bewusstsein
= cogito die äussere Welt entgegenstellt. Für beide beruht die Erkenntnis des cogito letztlich
auf Evidenz. Für Husserl ist jedoch der Schluss vom Phänomen des Ichs auf die Substanz
des Ichs nicht zulässig. Zudem lehnt Husserl Descartes’ Rekurs auf Gott, der ihm die
letztliche Basis für die Gewissheit des Ichs gibt sowie die Bedeutung der mathematischen
Methode ab. Als dies, sowohl in den Übereinstimmungen wie in den Gegensätzen,
übernimmt Sartre von Husserl. Was Sartre mit Husserl eint, ist, dass sie beide von
Descartes’ cogito ausgehen.5
Heideggers Verständnis der Phänomenologie unterscheidet sich stark von jenem Husserls
und Sartres, obwohl er von Husserl ausging. Das „Zurück zu den Sachen selbst“ wird bei ihm
zu einer Rückkehr zu den Ursprüngen der abendländischen Philosophie in der griechischen
Antike. Heidegger geht hinter die seit Descartes in der modernen Philosophie üblichen
Zweifel an der Möglichkeit wahrer Erkenntnis zurück. Im Phänomen erkenne ich nach
Heidegger unmittelbar sowohl das Individuelle wie das Allgemeine. Es ist nichts verborgen.
Der Mensch hat einen direkten Weltbezug, ein In-der-Welt-sein. Es handelt sich hierbei um
ein vorontologisches und damit vorwissenschaftliches Verstehen. Die Aufgabe der
Phänomenologie ist die Auslegung dieses vorontologischen Verstehens durch die
Hermeneutik. Heidegger verzichtet auf den Begriff des Bewusstseins, was eine grosse
Differenz zu Sartre schafft, für den das Für-sich von entscheidender Bedeutung ist.
Husserls Philosophie ist eine des Bewusstseins, Heideggers eine des Seins. Sartre sucht
beide zu verbinden und eine Philosophie des Seins und Bewusstseins zu schaffen. 6 Mit
Husserl und Descartes hat Sartre gemein, dass er vom cogito, dem Bewusstsein ausgeht.
Doch für ihn beschränkt sich Husserl zu ängstlich auf die reine Beschreibung. Husserl
komme deshalb nicht aus seinem cogito heraus, weshalb er immer nahe am Idealismus
Kants sei. Mit Heidegger betont Sartre deshalb die unmittelbare Erkenntnis der Dinge an
sich. Diese sind real, nicht bloss Phänomene.
4. Wahrheitstheoretische Überlegungen
Am Anfang von Sartres Erkenntnistheorie stehen Descartes und Heidegger. Nur das
cartesianische cogito kann absolute Gewissheit gewähren. Es ist das momentane Erleben,
von Descartes als Intuition bezeichnet, auf dem Erkenntnis beruht. Diese Auffassung steht
auch am Anfang von Husserls Phänomenologie, wie er sie in seinen Cartesianischen
Meditationen entwickelte. Die absolute Gewissheit des cogito basiert bei Descartes jedoch
auf Gott, ohne den alles in schreckliche Ungewissheit stürze. Dies ist ein Schritt, den sowohl
Sartre wie Husserl ablehnen. Husserl anerkennt jedoch die Beschränktheit jeder Gewissheit,
die auf dem cogito basiert. Um der Wahrheitsfrage zu entgehen, entscheidet sich Husserl
dafür, diese Frage einzuklammern. Damit beschränkt sich Husserl jedoch auf einen reinen
Phänomenismus, was ihn für manchen in einen Bewusstseinsidealismus abgleiten lässt.
Heidegger teilt diese Kritik an Husserl. Er bricht deshalb radikal mit dem cartesianischen
cogito. An seine Stelle setzt er das „In-der-Welt-Sein“, eine ursprüngliche, lebensweltliche
Vertrautheit des Menschen mit seiner Umwelt. Heidegger verzichtet auf ein vermittelndes
Bewusstsein. Wahrheit ist für ihn „Unverborgenheit“. Der Mensch erschliesst sich die Welt
4 Die Einklammerung ist eher eine Ausklammerung der Frage.
5 Da er wie Husserl vom cogito Descartes’ ausgeht, kann Sartre selbst mit 70 noch sagen, dass er
Cartesianer sei.
6 Deshalb auch der Titel L’Être et le néant (Das Sein und das Nichts): Das Sein=An-sich=Dinge, Das
Nichts=Für-sich=Bewusstsein.
4/4
durch intuitive Evidenz. Evidenz war seit der Antike bis und mit Thomas von Aquin im
Mittealter das wichtigste Wahrheitskriterium. Mit der Zurückweisung von Descartes
Fragestellung nach der letzten Gewissheit subjektiver Erkenntnis verschiebt sich für
Heidegger auch der Kern der Philosophie. Nicht die Frage nach der Möglichkeit der
Erkenntnis, die seit Descartes vorherrscht, steht bei ihm im Zentrum, sondern die Frage nach
dem Sein, noch genauer die Frage nach dem Sinn von Sein. Durch die Einklammerung der
Seinsfrage hatte für Heidegger Husserl nur einen ersten Schritt in die richtige Richtung
getan.
Sartre verbindet Descartes, Husserl und Heidegger miteinander. Auch für ihn ist die intuitive
Evidenz die Grundlage jeder Wahrheitstheorie.7 Von Descartes hält er mit Husserl die
Trennung von Bewusstsein und Sein bei. Heideggers Ablehnung des Bewusstseinsbegriffs
teilt er nicht. Die Verbindung der gegensätzlichen Theorien von Descartes und Heidegger
gelingt ihm durch den neuen Begriff des präreflexiven Bewusstseins. In diesem Bewusstsein,
das jedem Nachdenken über das eigene Bewusstsein vorausgeht, ist die Welt uns im Sinne
Heideggers unmittelbar evident. Das präreflexive Bewusstsein ist ein Bewusstsein des
reinen Erlebens. Ein Nachdenken über sich selbst wie im cogito, ergo sum gehört jedoch in
das reflexive Bewusstsein.8 Husserls reinen Phänomenismus, der sich über das Sein der
Dinge nicht äussern will, lehnt Sartre ab. Für Sartre sind in seiner stark lebensweltlichen
Philosophie die Dinge nicht bloss Phänomene, sondern wir erleben sie real. Von Descartes
unterscheidet sich Sartre auch durch die Ablehnung des cartesianischen Rückgriffs auf Gott
und der mathematisch-deduktiven Methode. Neben der Ablehnung von Heideggers Verzicht
auf den Bewusstseinsbegriff unterscheidet sich Sartre von diesem auch dadurch, dass für
ihn das Sein wesentlich kontingent und sinnlos ist.
5. Leitgedanke der existentiellen Psychoanalyse
Der Mensch ist eine Einheit. Er lässt sich nicht in Einzelteile zerlegen, wie dies bei Freud mit
Bewusstsein-Unbewusstes oder Es-Ich-Über-Ich geschieht. Die Einheit des Menschen
drückt sich aus in seinem Entwurf. Mittels des Entwurfes transzendiert der Mensch seine
faktische Existenz. In ihm entwirft sich der Mensch auf seine Zukunft hin. Im Entwurf sind alle
drei Zeiten gegenwärtig, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.9 In einer Urwahl
7 Damit verbunden ist, dass Sartre mit dem linguistic turn der Philosophie im 20. Jh. (Wittgenstein etc.)
nichts anfangen konnte. Die Sprache ist ein reines Instrument, etwas auszudrücken. Sartre beharrte
vielmehr darauf, dass jeder Mensch jeden Menschen verstehen kann (cf. Kap. 18)
8 Die Quellen der Unterscheidung zwischen dem präreflexiven und dem reflexivem Bewusstsein liegt
in der mittelalterlichen Philosophie, die intentio recta (direkte Denkbewegung ohne Reflexion) und
intentio obliqua (reflexive Denkbewegung) unterschied. Brentano und Nicolai Hartmann haben diese
Differenzierung wieder reaktiviert.
Lacan macht eine ähnliche Unterscheidung. Als Folge des Spiegelstadiums, während dem sich das
Kind als selbständige Einheit und als Individuum erkennt, kommt es zu einer Spaltung des Ichs in ein
je und ein moi. Das je steht für das unbewusste (nach Sartre präreflexive), soziale Ich-Subjekt,
während das moi für das reflektierte, idealisierte Ich-Objekt steht. In Transcendance de l’égo, die
Sartre 1934 verfasst und 1937 veröffentlichen kann, gebraucht er denselben Gegensatz von je und
moi wie Lacan, der diese Ausdrücke erstmals 1936 in Au-delà du principe de réalité verwendet.
9 Mit Bergson (und Heidegger) ist Sartre der Ansicht, dass sich Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft nicht voneinander trennen lassen, sondern sich auch in der jeweils anderen Zeit zeigen. Auch
wenn grundsätzlich gilt, dass die Faktizität für die Vergangenheit steht, die Transzendenz für die
Zukunft, die Situation für die Gegenwart, der Entwurf in die Zukunft – um ein Beispiel zu nehmen –
muss Vergangenheit und Gegenwart berücksichtigen. Am deutlichsten zeigt die gegenseitige
Verhängung der Zeiten im Falle der Situation. Jede Situation als Gegenwart ist bestimmt durch die
Faktizität (An-sich, Vergangenheit) und die Transzendenz (Für-sich, Entwurf, Zukunft). In der Situation
manifestiert sich auch die Geschichtlichkeit jeglichen Seins. Sartres Philosophie verfügt über eine voll
ausgebildete Zeitlichkeit mit allen drei Zeiten. Im Gegensatz zu Heidegger, wo die Gegenwart sehr
blass ist. Bei Sartre steht die Gegenwart nicht für ein abstraktes In-der-Welt-sein, sondern für ein ganz
konkretes, situativ genau bestimmtes.
5/5
konstituiert der Mensch seine eigene Individualität, bestimmt er, was er sein will. Diese
Urwahl ist jeder Zeit widerrufbar und muss deshalb immer wieder bestätigt werden. Jede
Handlung ist damit auch eine Stellungnahme zur Urwahl. Der Entwurf geschieht im Rahmen
einer bestimmten Situation. Die Situation unterscheidet sich vom naturwissenschaftlichen
Begriff der Umwelt dadurch, dass sie immer eine gedeutete Umwelt ist. Die Urwahl ist immer
bewusst. Auch wenn sie nicht immer erkannt ist. Denn der Entwurf wird primär erlebt und
genossen, nicht erkannt.10 Er ist die Art meines In-der-Welt-seins. Er ist Teil des
präreflexiven Bewusstseins, des Erlebens und grenzt sich somit vom Unbewussten Freuds
wie von der reflexiven Erkenntnis Descartes ab.
6. Das In-der-Welt-sein des Menschen
Für Heidegger ist menschliches Sein gleich Dasein, In-der-Welt-sein. Dieses ist wesentlich
mit der Lebenswelt verknüpft. Das Sein des Menschen ist mehr als nur Vorhandensein.11 Es
ist von Verstehen gekennzeichnet. Die Existenz des Menschen ist gekennzeichnet von
einem Vorverständnis der Welt und von sich. Das Verstehen der Welt erfolgt nicht im Modus
des Erkennens, sondern durch Erleben. Heideggers Position ist jener Descartes’
entgegengesetzt. Es gibt für ihn kein Bewusstsein. Nicht das cogito, sondern das In-der-
Welt-sein ist Heideggers Ausgangspunkt. Der Mensch ist Weltwesen und nicht
solipsistisches Bewusstsein. Für Descartes Unterscheidung von res extensa (ausgedehnter
Substanz) und res cogitans (denkender Substanz), die sich bei Sartre abgewandelt als Ansich
und Für-sich wiederfinden, hat er nur Kritik übrig. Zum Sein des Menschen gehört die
Befindlichkeit. Der Lastcharakter des Daseins drückt sich im Begriff der Sorge aus. Wie
schon bei Pascal, Schopenhauer oder Kierkegaard erschliesst sich dem Menschen durch
seine Stimmungen sein Sein. Der Mensch ist in eine Situation geworfen (Faktizität) und sich
selbst überantwortet. Es gibt keine vorherbestimmte Antwort auf die Frage nach dem Woher
und Wozu. Wir müssen unsere Möglichkeiten selbst entwerfen (Existenzialität).
In vielen Punkten greift Sartre Heideggers Thesen auf. Der Mensch ist in eine Situation
geworfen. Der Mensch hat einen unmittelbaren Zugang zur Welt. Alltagswissen und Kunst
sind gegenüber einem szientistischen Vorgehen keine zweitrangigen Quellen menschlicher
Erfahrung. Den Stimmungen kommt, wie sein Roman La Nausée belegt, auch bei Sartre
eine hohe Bedeutung zu. Den Begriff der Geworfenheit untermauert er mit jenem der
Kontingenz, d.h. der Zufälligkeit, womit Sartre jeder auf Gott oder einem objektiven
Idealismus beruhenden Notwendigkeit eines menschlichen Soseins eine Absage erteilt.12 Die
Störung der Vertrautheit mit den Dingen als Zuhandenem und nicht bloss Vorhandenem
findet bei Sartre noch eine Vertiefung, wie er in Huis clos mit der Entsinnlichung des Zeugs
und der Entstehung einer Deprivationswelt zeigt. In einem wichtigen Punkt allerdings
unterschiedet sich Sartre von Heidegger: Sartre beharrt auf dem Begriff des Bewusstseins.
Das In-der-Welt-sein ist bei Sartre ein Bewusstsein-des-in-der-Welt-seins.
10 In den 60er Jahren entwickelt Sartre das Konzept von le vécu (das Erlebte). Le vécu steht für die
wohl verstandene, aber – reflexiv – nie erkannte Innenwelt des Menschen. Mit diesem Begriff findet
auch eine Wiederannäherung an Freud statt, da die nicht erkannte Innenwelt eine gewisse Ähnlichkeit
zu Freuds Unbewussten hat.
Auch wenn der Entwurf nicht unbedingt erkannt wird, so ist er doch verständlich. Nach Sartre kann
jeder Entwurf, auch der eines Menschen aus einer anderen Kultur, verstanden werden.
11 Dasein entspricht bei Heidegger deshalb nicht dem Begriff der Existenz in der aristotelischen und
thomistischen Philosophie. Da Sartre diese Unterscheidung von Existenz und Essenz (Dasein und
Sosein) in L’Existentialisme est un humanisme bemüht (wie Dandyk meint, wahrscheinlich nur ein
daneben geratener Versuche, seine Philosophie dem Publikum leicht erklären zu können), kritisiert ihn
Heidegger hierfür in seinem Brief über den Humanismus.
12 Sartre ist im Gegensatz zu Heidegger erklärter Atheist, während für Heidegger eher gilt, dass er
A-Theist ist. Sartres in L’Existentialisme est un humanisme vorgenommene Unterscheidung von
atheistischen (Sartre, Heidegger) und christlichen Existenzialisten (Jaspers, Marcel) ist zumindest
etwas grobschlächtig.
6/6
7. Sartres Ontologie
Als Ontologe steht Sartre ganz in der abendländischen Tradition. Seit den alten Griechen
besteht das Seinsproblem in der Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Sein und den
Phänomenen resp. nach der eigentlichen Natur des Seins. Nach den ionischen
Naturphilosophen (Wasser, Luft als Urstoff = archè) gibt es bald solche, die abstraktere
Antworten bevorzugen: Pythagoras (Zahlenverhältnis), Parmenides (das wahre Sein als
unbewegliches, unveränderliches, ewiges Sein), Demokrit (die Welt besteht aus kleinen
unteilbaren und unveränderlichen Teilen = a-tomos Atome), Platon (die Ideen als das
unveränderliche Sein, die Phänomene als deren nur unvollkommene Abbilder), Aristoteles
(Platons Ideen sind in den Dingen: Gegensatz von ewiger Materie/Substanz und möglicher
Form/Akzidentien; Gott als der ursprüngliche Beweger). Nachdem das Mittelalter weitgehend
Platon und Aristoteles reproduziert13, bringt Descartes eine Wende. Am Ursprung seiner
Philosophie finden wir den Gegensatz von res cogitans (Bewusstsein, mit angeborenen
Ideen) und res extensa (die materielle Aussenwelt), den wir bei Sartre als Für-sich und Ansich
wiederfinden. Descartes, der wohl französischste aller Philosophen, war der Begründer
der modernen idealistischen und rationalistischen Philosophie. Im Gegensatz zu ihm
vertraten Hobbes, Locke und Hume materialistische, empiristische resp. skeptizistische
Auffassungen. Der Mensch ist durch die Materie determiniert. Ideen sind nicht angeboren,
sondern Produkte des Menschen resp. seiner Sinne. Kants Lösung ist eine des
Kompromisses zwischen den Rationalisten und den skeptischen Empiristen. Kant
unterscheidet zwischen dem Ding als Erscheinung und dem Ding an sich, wobei letzteres
uns unzugänglich ist. Das Ding als Erscheinung richtet sich nach den Formen (Raum, Zeit)
und den Kategorien (u.a. Ursache, Wirkung, wesentlich, zufällig, möglich, notwendig) des
Verstandes. Fichte (das Sein als das absolute, unendliche Ich) und Hegel (das Absolute als
Identität von Sein/Denken, Subjekt/Objekt, Essenz/Existenz) nehmen demgegenüber rein
idealistische Positionen ein. Dagegen wehren sich einerseits Schopenhauer und Nietzsche,
bei denen der Wille (Nietzsche: Wille zur Macht) und Stimmungen statt Verstand und
Vernunft im Vordergrund stehen. Sie postulieren auch einen direkten Zugang des Menschen
zur Welt. Im Gegensatz zu Hegel stehen auch Kierkegaard und Marx. Für Kierkegaard gibt
es Logik nur im Bereich des Allgemeinen, während sie das Individuelle der Existenz nicht
erfassen kann, da das Individuum unreduzierbar ist. Marx stellt Hegel auf die Füsse, indem
er den Menschen als Produkt der Natur und durch die Arbeit gleichzeitig als Schöpfer seiner
eigenen Umwelt sieht, die sich allerdings als entfremdete Umwelt auch gegen ihn selbst
richten kann. Noch einen Schritt weiter geht der Neopositivismus, indem er die Philosophie
selbst in Frage stellt. Alles was nicht verifiziert werden kann, so alle ontologischen Fragen,
haben ihre Ursache nur in einer Verwirrung der Sprache.
In L’Être et le néant setzt sich Sartre mit diesen verschiedenen ontologischen Ansätze
auseinander, manchmal in positivem, manchmal in ablehnendem Sinne. Platons Dialektik
von Sein und Nicht-Sein findet sich bei Sartre wieder. Jeglichen Rekurs auf Göttliches wie
bei Platon, Aristoteles oder Descartes lehnt er jedoch ab. In seiner Freiheitstheorie gibt es
zwar Parallelen zu Kants Autonomie des Menschen, doch dessen Begriff des Dings an sich
stösst bei Sartre auf Opposition. Die existentialistische Kritik Kierkegaards an Hegel begrüsst
er, versucht aber zwischen den beiden zu vermitteln. Sartres Theorie des Entwurfs siedelt
Dandyk wiederum in der Nähe von Fichtes Vorstellung des absoluten Ichs an. Wie sich auch
an Sartres vermittelnden Haltung zwischen Descartes (für das Bewusstsein) und Heidegger
(für einen unmittelbaren Zugang zur Welt) erkennen lasse, sei Sartre ein extremer Dialektiker
der Philosophiegeschichte. Was das Verhältnis von Sein und Phänomenen anbetrifft, vertritt
Sartre eine sehr differenzierte Position. Mit den Operationalisten ist er der Ansicht, dass das
13 Bemerkenswert ist der Universalienstreit im Mittelalter. Die Nominalisten (Roscelin, Abaelard)
vertraten gegen die mittelalterlichen Platoniker (Anselm von Canterbury) und Aristoteliker (Thomas
von Aquin) die Auffassung, dass die Allgemeinbegriffe bloss zusammenfassende Worte seien, denen
keinerlei Wirklichkeit zu kommt. Unter den Philosophen der Zeit vor Descartes stehen die
Nominalisten des Mittelalters zusammen mit den Sophisten der griechischen Antike Sartre zweifellos
am nächsten. Im L’Idiot de la famillle spricht Sartre von seinem „nominalistischen Standpunkt.“
7/7
Sein in den Phänomenen gegenwärtig ist und es keine Welt hinter den Phänomenen gibt.
Ihre Haltung, dass sich das Sein auf das Phänomen reduziere, ist für Sartre aber
unannehmbar. Vielmehr verweist Sartre auf die Transphänomenalität des Seins. Das Sein
löst sich nicht im Phänomen auf. Die Dinge sind unabhängig von der Wahrnehmung. Das
Phänomen zeigt sich so, wie es ist. Wir erfassen dies intuitiv mittels unseres
vorontologischen Verständnisses. Damit versucht Sartre den Phänomenismus Husserls mit
einer „Theorie der Hinterwelten“, der Theorie einer Welt hinter den Phänomenen, zu
verbinden. Eine Implikation dieser Auffassung von Sein und Phänomen ist Sartres
Ablehnung der aristotelischen Begriffe von Potentialität und Aktualität. Es gibt kein Wesen in
einem Seienden. Das Genie Prousts ist nicht sein Vermögen, sondern das Werk Prousts als
Manifestation seiner Person. Entsprechend – wie Sartre in Huis clos aufzeigte – ist der
Mensch das, was er getan hat. Und nochmals verweist Dandyk auf die Bedeutung der
Stimmungen bei Sartre, wie sie zuvor schon Pascal, Schopenhauer und Heidegger kannten.
Stimmungen wie Ekel, Langeweile, Scham, Mitleid, Begierde erschliessen dem Menschen
seine Seinsweise – im Gegensatz zu Husserl, der mit Stimmungen wenig anfangen konnte
und mittels der epochè alle Seinsurteile einklammerte. Dass Heidegger wieder die
Bedeutung der Seinsfrage hervorgehoben hatte, ist nach Sartre Heideggers grosses
Verdienst im Vergleich zu Husserls Phänomenismus.
8. Gegen Berkeley
Berkeley bestreitet die Existenz äusserer materieller Objekte. Esse est percipi, Sein ist
Wahrgenommen werden. Die menschliche Wahrnehmung ist nur eine Modifikation der
Vorstellungen Gottes. Sartre bestreitet dies und beharrt sowohl gegenüber Berkeley wie
gegenüber Husserl und dessen Einklammerung der Seinsfrage auf der Transphänomenalität
des Seins.
9. Das präreflexive Bewusstsein
Während Erkennen reflexiv ist, ist Erleben präreflexiv. Dieser Unterschied zwischen
reflexivem und präreflexivem Bewusstsein ist zentral für Sartres Philosophie. Ersteres ist das
reflektierende Nachdenken über sich, letzteres das Bewusstsein von den Dingen und nicht
reflektierendes Bewusstsein (von) sich. Es ist direktes Weltbewusstsein und umfasst insofern
Heideggers In-der-Welt-Sein. Diese Unterscheidung ist spezifisch für Sartre, findet sich
jedoch schon ähnlich bei Nicolai Hartmanns Unterscheidung von intentio recta und intentio
obliqua.
10. Gegen Descartes
Sartre lehnt Descartes substanzialisierten Begriff des cogito ab. Auch lassen sich für Sartre
die Dinge der Welt und das präreflexive Bewusstsein nicht voneinander trennen. Vielmehr
findet das Bewusstsein seine Stütze im An-sich. Das Bewusstsein ist keine frei über der Welt
schwebende Entität, sondern durch den Bezug zu dieser Welt definiert. Und
selbstverständlich lehnt Sartre auch Descartes Theismus ab.
11. Das An-sich-sein14
Das An-sich kann dreifach bestimmt werden. Erstens, es ist an sich, d.h. es hat keinen
Bezug zu sich selbst. Es ist reine Positivität, Seinsfülle. Zweitens, es ist das, was es ist. Als
solches ist es bloss. Alleine kann es nicht werden. Fürs Werden ist immer ein Zeuge nötig.
Drittens, es ist, d.h. es ist kontingent, ohne Bezug zum Mögl
application/pdf
Alfred Dandyk, Unaufrichtigkeit: Die existentielle Psychoanalyse im Kontext der Philosophiegeschichte
Alfred Betschart
Alfred Dandyk existentielle Psychoanalyse Philosophiegeschichte
1/1
Alfred Dandyk, Unaufrichtigkeit: Die existentielle Psychoanalyse Sartres im Kontext
der Philosophiegeschichte, Würzburg: Königshausen & Neumann, 2002
Eine annotierte und kommentierte Zusammenfassung
Alfred Betschart
A) Zusammenfassung
1. Vorwort
Sartres Ontologie ist die Voraussetzung für seine existenzielle Psychoanalyse. Sein Denken
ist holistisch, was es verbietet, einzelne Themen isoliert zu betrachten. Obwohl Sartre ein
ausserordentlich origineller Kopf ist, sind seine Überlegungen geprägt von einer
Philosophiegeschichte, die bis in die griechische Antike zurückreicht.
2. Kritik der empirischen Psychoanalyse
Sartres existenzielle Psychoanalyse ist eine Kritik an der Psychoanalyse Freuds, der er
vorwirft, ihre philosophischen Vorarbeiten nicht erledigt zu haben. Mit seiner Trieblehre
unterliegt Freud der „substantiellen Täuschung“, in dem er die Triebe als Substanz im Ich
auffasst und nicht als Relation, d.h. als Beziehung zwischen dem menschlichen Bewusstsein
und der Welt. Vor allem wirft Sartre Freud aber vor, Wirkursache (Kausalität) und
Zweckursache (Finalität) nicht sauber voneinander zu trennen. Einerseits sieht Freud im
menschlichen Verhalten die Wirkung und in den Trieben die Ursachen
andererseits gesteht
er den Trieben jedoch die Fähigkeit zu, ihre Ziele zu verändern. Nach Aristoteles
unterscheiden wir die Wirkursache von der Zweckursache. Die erstere gilt im Bereich der
Naturwissenschaften, wo Kausalketten und allgemeine Gesetze gebildet werden können. Für
die Geisteswissenschaften muss nach Sartre die Zweckursache im Vordergrund stehen. Nur
von seinem Sinn her lässt sich menschliches Handeln verstehen.1 Als Freud dem Zeitgeist
folgend seine Psychoanalyse als Naturwissenschaft konzipiert, begeht er einen
schwerwiegenden Fehler. Flaubert ist nicht eine Manifestation abstrakter Gesetze. Sein
Handeln als Individuum kann nicht auf
1 In der Zeit der Wende um 1900 herum entwickeln verschiedene Philosophen und
Humanwissenschafter dieses Argument, dass im Humanbereich nicht das Gesetz der Kausalität,
sondern jenes der Finalität im Vordergrund steht. Dazu gehören insbesondere die Vertreter der
Lebensphilosophie. Von Henri Bergson liest Sartre 1923 Essai sur les données immédiates de la
conscience, in dem Bergson prominent den in den Naturwissenschaften und im Humanbereich
unterschiedlichen Zeitbegriff behandelt. Es ist dieses Werk, das Sartre dazu bringt, Philosophie statt
Literatur zu studieren. Aufbauend auf Schleiermacher bezeichnet vor allem Dilthey das Sinnverstehen
als die für die Geisteswissenschaften spezifische Methode. Damit beeinflusst dieser entscheidend
Philosophen wie Heidegger, Gadamer und die ganze Hermeneutik. Ein weiterer wichtiger Vertreter
einer an der Finalität orientierten Humanwissenschaft ist der Soziologe Max Weber.
Die Unterscheidung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften hinsichtlich ihrer Methode findet sich
bei Sartre später wieder in seinen Stellungnahme zur Dialektik. Die vertiefte Auseinandersetzung mit
Hegel ab 1945 betrifft auch die Dialektik. Sartre insistiert vehement, dass die Dialektik nur für den
humanwissenschaftlichen Bereich gilt und entgegen Engels’ Ansichten in den Naturwissenschaften
nichts zu suchen hat (erstmals in Matérialisme et révolution 1946
dann wieder in den Cahiers pour
une morale geschrieben 1947-48/veröffentlicht 1983 und Marxisme et existentialisme 1961/62)
(Alle Fussnoten sind meine persönlichen Anmerkungen
A.B.)
2/2
solche zurückgeführt werden. Die Vernachlässigung des Individuellen in der Psychologie ist
nach Sartre ein grober Fehler.2
3. Die phänomenologische Methode
Husserls Phänomenologie ist eine Reaktion auf die damals herrschenden Schulen des
Psychologismus und des Neukantianismus.3 Der Leitgedanke der Phänomenologie war:
zurück zu den Sachen. Auf der erkenntnistheoretischen Grundlage der Evidenz, d.h. der
intuitiven Schau des Gegebenen, beschreibt der Phänomenologe die Phänomene. Eines
2 In Sartres Philosophie stehen das Subjekt und der Sinn, den das Subjekt seinen Handlungen und
seinem Leben insgesamt gibt, im Zentrum. Die Existenzphilosophie i.w.S. seit Kierkegaard war die
erste Philosophie, die das Subjekt so radikal ins Zentrum stellte. In einer Gegenbewegung zum
Existenzialismus betonten die Strukturalisten (Foucault, Lévi-Strauss, Barthes, Althusser) die
Bedeutung der unbewussten Strukturen. Für sie waren Subjekt und Sinn nur Schaumkronen, die über
die alles entscheidenden Strukturen jedoch nichts aussagten. Sartre warf Foucault 1966 in Jean-Paul
Sartre répond, entretien avec Bernard Pingaud vor, aus der Geschichte eine Geologie zu machen, in
der der Mensch nicht mehr vorkommt. Sartre betonte zwar immer wieder, dass das An-sich resp. das
Praktisch-Inerte sich gegen den Menschen und die Intention seiner Handlungen richten kann. Doch
für ihn war das freie Subjekt mit seinen Handlungen das Schmieröl, das die Maschinerie der
Geschichte am laufen hielt. Deshalb war für Sartre auch das (politische) Engagement des Individuums
so wichtig – eine Ansicht, die Foucault, der punktuell politisch sehr aktiv war, wenn nicht theoretisch,
so doch praktisch teilte. Mehrfach kam es zwischen Sartre und Foucault in den 70er Jahren zu
politischer Zusammenarbeit (gegen Rassismus, für bessere Haftbedingungen, Gründung der
Nachrichtenagentur Libération). Mit seinen Spätwerken L'Usage des plaisirs und Le Souci de soi
(1984) rückte Foucault dann wieder das Subjekt und eine an der Selbsttechnik orientierte Ethik ins
Zentrum seiner Betrachtungen.
Den Gegenschlag gegen die Strukturalisten führten ab Mitte der 70er Jahre die Nouveaux
Philosophes (Glucksmann, Finkielkraut, B. H. Lévy), die radikal den Menschen und die
Menschenrechte ins Zentrum ihrer politischen Philosophie stellten. Sie wandten sich auch gegen alle
jene Linken, die zuliessen, dass zugunsten der Revolution über Leichen gegangen werden darf, und
damit auch teilweise gegen Sartre und dessen Version der Verantwortungsethik.
Neben der spektakulären Nicht-Diskussion zwischen Sartre und Foucault, der oft als Sartres
Nachfolger gesehen wurde, gab es jedoch eine wirklich, sich allerdings über mehrere Jahre (1960-71)
hinweg ziehende echte Diskussion, jene zwischen Lévi-Strauss und Sartre. Lévi-Strauss kritisierte
1962 in La Pensée sauvage die Trennung zwischen analytischem und dialektischem denken. Für
Lévi-Strauss gibt es letztlich nur analytisches Denken, und in diesem kann der Mensch nur Objekt
sein. Entsprechend will Lévi-Strauss die Dialektik auch nicht auf den geisteswissenschaftlichen
Bereich begrenzen. Demgegenüer hält Sartre daran fest, dass das analytische Denken, in dem der
Mensch nur Objekt ist und das die Einzelwissenschaften auszeichnet, seine Vollendung erst im
dialektischen Denken findet. In diesem ist der Mensch Subjekt-Objekt. Es fundiert in der Geschichte
und der täglichen Praxis. Wie bei Heidegger hat es einen erlebnishaft-existentiellen Charakter. Dieses
dialektische Denken ist die Besonderheit der Philosophie, womit Sartre auch die Philosophie gegen
die Einzelwissenschaften behauptet. Dem Streit liegt letztlich die philosophische Unterscheidung
zwischen Verstand und vernunft zugrunde. Von Platon bis Kant wurde der Verstand (noesis,
intellectus, franz. entendement) als Wesenserkenntnis höher als die Vernunft (dianoia, ratio, franz.
raison) als begriffliche-diskursive Bestimmung aufgefasst. Mit Kant dreht sich dieses Verständnis. Der
Verstand als an Sinneseindrücke gebundenes Erkenntnisvermögen steht unter der Vernunft, die
imstande ist, unabhängig von der Erfahrung Schlüsse zu ziehen. Hegel verband dann die Vernunft mit
der Dialektik. Der Verstand steht für das positive, bestimmende Denken, die Vernunft für das negativdialektische,
das sich in der Geschichte verwirklicht. In der Diskussion mit Lévi-Strauss übernahm
Sartre Hegels Grundpositionen (wenn auch in der marxistischen Version) gegen dessen
positivistische, szientistische Haltung.
3 Das Aufkommen der Naturwissenschaften im 19. Jh. bildet eine schwere Bedrohung für die
Philosophie als „Mutter der Wissenschaften“. Diese droht auf den Status einer Hilfswissenschaft
abzusinken. Der Psychologismus verneint radikal die Möglichkeit eines unabhängigen, freien
Denkens. Denken kann nicht mehr wahr oder falsch sein, sondern ist nur durch Motivationen
begründet. Der Neukantianismus versucht die Selbständigkeit der Philosophie zu retten, indem er auf
Kant und seine Trennung zwischen sinnlicher Wahrnehmung und Verstandesvorstellungen
zurückgreift. Zu letzteren gehören die Kategorien der Quantität, Qualität, Relation und Modalität, die
erst All-Sätze, Verneinung, Kausalität, Möglichkeit oder Notwendigkeit zulassen.
3/3
definitiven Urteils, ob den Phänomenen wirklich Dinge an sich entsprechen, enthält sich
jedoch Husserl. Diese Einklammerungsstrategie bezeichnet Husserl als epochè. 4 Von der
Einzelanschauung gelangt Husserl zum Allgemeinen durch die eidetische Reduktion.
Husserls Methode hat gewisse Gemeinsamkeiten mit jener Descartes (cogito, ergo sum: ich
denke, also bin ich). Wie Descartes ist auch Husserl ein Dualist, in dem er dem Bewusstsein
= cogito die äussere Welt entgegenstellt. Für beide beruht die Erkenntnis des cogito letztlich
auf Evidenz. Für Husserl ist jedoch der Schluss vom Phänomen des Ichs auf die Substanz
des Ichs nicht zulässig. Zudem lehnt Husserl Descartes’ Rekurs auf Gott, der ihm die
letztliche Basis für die Gewissheit des Ichs gibt sowie die Bedeutung der mathematischen
Methode ab. Als dies, sowohl in den Übereinstimmungen wie in den Gegensätzen,
übernimmt Sartre von Husserl. Was Sartre mit Husserl eint, ist, dass sie beide von
Descartes’ cogito ausgehen.5
Heideggers Verständnis der Phänomenologie unterscheidet sich stark von jenem Husserls
und Sartres, obwohl er von Husserl ausging. Das „Zurück zu den Sachen selbst“ wird bei ihm
zu einer Rückkehr zu den Ursprüngen der abendländischen Philosophie in der griechischen
Antike. Heidegger geht hinter die seit Descartes in der modernen Philosophie üblichen
Zweifel an der Möglichkeit wahrer Erkenntnis zurück. Im Phänomen erkenne ich nach
Heidegger unmittelbar sowohl das Individuelle wie das Allgemeine. Es ist nichts verborgen.
Der Mensch hat einen direkten Weltbezug, ein In-der-Welt-sein. Es handelt sich hierbei um
ein vorontologisches und damit vorwissenschaftliches Verstehen. Die Aufgabe der
Phänomenologie ist die Auslegung dieses vorontologischen Verstehens durch die
Hermeneutik. Heidegger verzichtet auf den Begriff des Bewusstseins, was eine grosse
Differenz zu Sartre schafft, für den das Für-sich von entscheidender Bedeutung ist.
Husserls Philosophie ist eine des Bewusstseins, Heideggers eine des Seins. Sartre sucht
beide zu verbinden und eine Philosophie des Seins und Bewusstseins zu schaffen. 6 Mit
Husserl und Descartes hat Sartre gemein, dass er vom cogito, dem Bewusstsein ausgeht.
Doch für ihn beschränkt sich Husserl zu ängstlich auf die reine Beschreibung. Husserl
komme deshalb nicht aus seinem cogito heraus, weshalb er immer nahe am Idealismus
Kants sei. Mit Heidegger betont Sartre deshalb die unmittelbare Erkenntnis der Dinge an
sich. Diese sind real, nicht bloss Phänomene.
4. Wahrheitstheoretische Überlegungen
Am Anfang von Sartres Erkenntnistheorie stehen Descartes und Heidegger. Nur das
cartesianische cogito kann absolute Gewissheit gewähren. Es ist das momentane Erleben,
von Descartes als Intuition bezeichnet, auf dem Erkenntnis beruht. Diese Auffassung steht
auch am Anfang von Husserls Phänomenologie, wie er sie in seinen Cartesianischen
Meditationen entwickelte. Die absolute Gewissheit des cogito basiert bei Descartes jedoch
auf Gott, ohne den alles in schreckliche Ungewissheit stürze. Dies ist ein Schritt, den sowohl
Sartre wie Husserl ablehnen. Husserl anerkennt jedoch die Beschränktheit jeder Gewissheit,
die auf dem cogito basiert. Um der Wahrheitsfrage zu entgehen, entscheidet sich Husserl
dafür, diese Frage einzuklammern. Damit beschränkt sich Husserl jedoch auf einen reinen
Phänomenismus, was ihn für manchen in einen Bewusstseinsidealismus abgleiten lässt.
Heidegger teilt diese Kritik an Husserl. Er bricht deshalb radikal mit dem cartesianischen
cogito. An seine Stelle setzt er das „In-der-Welt-Sein“, eine ursprüngliche, lebensweltliche
Vertrautheit des Menschen mit seiner Umwelt. Heidegger verzichtet auf ein vermittelndes
Bewusstsein. Wahrheit ist für ihn „Unverborgenheit“. Der Mensch erschliesst sich die Welt
4 Die Einklammerung ist eher eine Ausklammerung der Frage.
5 Da er wie Husserl vom cogito Descartes’ ausgeht, kann Sartre selbst mit 70 noch sagen, dass er
Cartesianer sei.
6 Deshalb auch der Titel L’Être et le néant (Das Sein und das Nichts): Das Sein=An-sich=Dinge, Das
Nichts=Für-sich=Bewusstsein.
4/4
durch intuitive Evidenz. Evidenz war seit der Antike bis und mit Thomas von Aquin im
Mittealter das wichtigste Wahrheitskriterium. Mit der Zurückweisung von Descartes
Fragestellung nach der letzten Gewissheit subjektiver Erkenntnis verschiebt sich für
Heidegger auch der Kern der Philosophie. Nicht die Frage nach der Möglichkeit der
Erkenntnis, die seit Descartes vorherrscht, steht bei ihm im Zentrum, sondern die Frage nach
dem Sein, noch genauer die Frage nach dem Sinn von Sein. Durch die Einklammerung der
Seinsfrage hatte für Heidegger Husserl nur einen ersten Schritt in die richtige Richtung
getan.
Sartre verbindet Descartes, Husserl und Heidegger miteinander. Auch für ihn ist die intuitive
Evidenz die Grundlage jeder Wahrheitstheorie.7 Von Descartes hält er mit Husserl die
Trennung von Bewusstsein und Sein bei. Heideggers Ablehnung des Bewusstseinsbegriffs
teilt er nicht. Die Verbindung der gegensätzlichen Theorien von Descartes und Heidegger
gelingt ihm durch den neuen Begriff des präreflexiven Bewusstseins. In diesem Bewusstsein,
das jedem Nachdenken über das eigene Bewusstsein vorausgeht, ist die Welt uns im Sinne
Heideggers unmittelbar evident. Das präreflexive Bewusstsein ist ein Bewusstsein des
reinen Erlebens. Ein Nachdenken über sich selbst wie im cogito, ergo sum gehört jedoch in
das reflexive Bewusstsein.8 Husserls reinen Phänomenismus, der sich über das Sein der
Dinge nicht äussern will, lehnt Sartre ab. Für Sartre sind in seiner stark lebensweltlichen
Philosophie die Dinge nicht bloss Phänomene, sondern wir erleben sie real. Von Descartes
unterscheidet sich Sartre auch durch die Ablehnung des cartesianischen Rückgriffs auf Gott
und der mathematisch-deduktiven Methode. Neben der Ablehnung von Heideggers Verzicht
auf den Bewusstseinsbegriff unterscheidet sich Sartre von diesem auch dadurch, dass für
ihn das Sein wesentlich kontingent und sinnlos ist.
5. Leitgedanke der existentiellen Psychoanalyse
Der Mensch ist eine Einheit. Er lässt sich nicht in Einzelteile zerlegen, wie dies bei Freud mit
Bewusstsein-Unbewusstes oder Es-Ich-Über-Ich geschieht. Die Einheit des Menschen
drückt sich aus in seinem Entwurf. Mittels des Entwurfes transzendiert der Mensch seine
faktische Existenz. In ihm entwirft sich der Mensch auf seine Zukunft hin. Im Entwurf sind alle
drei Zeiten gegenwärtig, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.9 In einer Urwahl
7 Damit verbunden ist, dass Sartre mit dem linguistic turn der Philosophie im 20. Jh. (Wittgenstein etc.)
nichts anfangen konnte. Die Sprache ist ein reines Instrument, etwas auszudrücken. Sartre beharrte
vielmehr darauf, dass jeder Mensch jeden Menschen verstehen kann (cf. Kap. 18)
8 Die Quellen der Unterscheidung zwischen dem präreflexiven und dem reflexivem Bewusstsein liegt
in der mittelalterlichen Philosophie, die intentio recta (direkte Denkbewegung ohne Reflexion) und
intentio obliqua (reflexive Denkbewegung) unterschied. Brentano und Nicolai Hartmann haben diese
Differenzierung wieder reaktiviert.
Lacan macht eine ähnliche Unterscheidung. Als Folge des Spiegelstadiums, während dem sich das
Kind als selbständige Einheit und als Individuum erkennt, kommt es zu einer Spaltung des Ichs in ein
je und ein moi. Das je steht für das unbewusste (nach Sartre präreflexive), soziale Ich-Subjekt,
während das moi für das reflektierte, idealisierte Ich-Objekt steht. In Transcendance de l’égo, die
Sartre 1934 verfasst und 1937 veröffentlichen kann, gebraucht er denselben Gegensatz von je und
moi wie Lacan, der diese Ausdrücke erstmals 1936 in Au-delà du principe de réalité verwendet.
9 Mit Bergson (und Heidegger) ist Sartre der Ansicht, dass sich Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft nicht voneinander trennen lassen, sondern sich auch in der jeweils anderen Zeit zeigen. Auch
wenn grundsätzlich gilt, dass die Faktizität für die Vergangenheit steht, die Transzendenz für die
Zukunft, die Situation für die Gegenwart, der Entwurf in die Zukunft – um ein Beispiel zu nehmen –
muss Vergangenheit und Gegenwart berücksichtigen. Am deutlichsten zeigt die gegenseitige
Verhängung der Zeiten im Falle der Situation. Jede Situation als Gegenwart ist bestimmt durch die
Faktizität (An-sich, Vergangenheit) und die Transzendenz (Für-sich, Entwurf, Zukunft). In der Situation
manifestiert sich auch die Geschichtlichkeit jeglichen Seins. Sartres Philosophie verfügt über eine voll
ausgebildete Zeitlichkeit mit allen drei Zeiten. Im Gegensatz zu Heidegger, wo die Gegenwart sehr
blass ist. Bei Sartre steht die Gegenwart nicht für ein abstraktes In-der-Welt-sein, sondern für ein ganz
konkretes, situativ genau bestimmtes.
5/5
konstituiert der Mensch seine eigene Individualität, bestimmt er, was er sein will. Diese
Urwahl ist jeder Zeit widerrufbar und muss deshalb immer wieder bestätigt werden. Jede
Handlung ist damit auch eine Stellungnahme zur Urwahl. Der Entwurf geschieht im Rahmen
einer bestimmten Situation. Die Situation unterscheidet sich vom naturwissenschaftlichen
Begriff der Umwelt dadurch, dass sie immer eine gedeutete Umwelt ist. Die Urwahl ist immer
bewusst. Auch wenn sie nicht immer erkannt ist. Denn der Entwurf wird primär erlebt und
genossen, nicht erkannt.10 Er ist die Art meines In-der-Welt-seins. Er ist Teil des
präreflexiven Bewusstseins, des Erlebens und grenzt sich somit vom Unbewussten Freuds
wie von der reflexiven Erkenntnis Descartes ab.
6. Das In-der-Welt-sein des Menschen
Für Heidegger ist menschliches Sein gleich Dasein, In-der-Welt-sein. Dieses ist wesentlich
mit der Lebenswelt verknüpft. Das Sein des Menschen ist mehr als nur Vorhandensein.11 Es
ist von Verstehen gekennzeichnet. Die Existenz des Menschen ist gekennzeichnet von
einem Vorverständnis der Welt und von sich. Das Verstehen der Welt erfolgt nicht im Modus
des Erkennens, sondern durch Erleben. Heideggers Position ist jener Descartes’
entgegengesetzt. Es gibt für ihn kein Bewusstsein. Nicht das cogito, sondern das In-der-
Welt-sein ist Heideggers Ausgangspunkt. Der Mensch ist Weltwesen und nicht
solipsistisches Bewusstsein. Für Descartes Unterscheidung von res extensa (ausgedehnter
Substanz) und res cogitans (denkender Substanz), die sich bei Sartre abgewandelt als Ansich
und Für-sich wiederfinden, hat er nur Kritik übrig. Zum Sein des Menschen gehört die
Befindlichkeit. Der Lastcharakter des Daseins drückt sich im Begriff der Sorge aus. Wie
schon bei Pascal, Schopenhauer oder Kierkegaard erschliesst sich dem Menschen durch
seine Stimmungen sein Sein. Der Mensch ist in eine Situation geworfen (Faktizität) und sich
selbst überantwortet. Es gibt keine vorherbestimmte Antwort auf die Frage nach dem Woher
und Wozu. Wir müssen unsere Möglichkeiten selbst entwerfen (Existenzialität).
In vielen Punkten greift Sartre Heideggers Thesen auf. Der Mensch ist in eine Situation
geworfen. Der Mensch hat einen unmittelbaren Zugang zur Welt. Alltagswissen und Kunst
sind gegenüber einem szientistischen Vorgehen keine zweitrangigen Quellen menschlicher
Erfahrung. Den Stimmungen kommt, wie sein Roman La Nausée belegt, auch bei Sartre
eine hohe Bedeutung zu. Den Begriff der Geworfenheit untermauert er mit jenem der
Kontingenz, d.h. der Zufälligkeit, womit Sartre jeder auf Gott oder einem objektiven
Idealismus beruhenden Notwendigkeit eines menschlichen Soseins eine Absage erteilt.12 Die
Störung der Vertrautheit mit den Dingen als Zuhandenem und nicht bloss Vorhandenem
findet bei Sartre noch eine Vertiefung, wie er in Huis clos mit der Entsinnlichung des Zeugs
und der Entstehung einer Deprivationswelt zeigt. In einem wichtigen Punkt allerdings
unterschiedet sich Sartre von Heidegger: Sartre beharrt auf dem Begriff des Bewusstseins.
Das In-der-Welt-sein ist bei Sartre ein Bewusstsein-des-in-der-Welt-seins.
10 In den 60er Jahren entwickelt Sartre das Konzept von le vécu (das Erlebte). Le vécu steht für die
wohl verstandene, aber – reflexiv – nie erkannte Innenwelt des Menschen. Mit diesem Begriff findet
auch eine Wiederannäherung an Freud statt, da die nicht erkannte Innenwelt eine gewisse Ähnlichkeit
zu Freuds Unbewussten hat.
Auch wenn der Entwurf nicht unbedingt erkannt wird, so ist er doch verständlich. Nach Sartre kann
jeder Entwurf, auch der eines Menschen aus einer anderen Kultur, verstanden werden.
11 Dasein entspricht bei Heidegger deshalb nicht dem Begriff der Existenz in der aristotelischen und
thomistischen Philosophie. Da Sartre diese Unterscheidung von Existenz und Essenz (Dasein und
Sosein) in L’Existentialisme est un humanisme bemüht (wie Dandyk meint, wahrscheinlich nur ein
daneben geratener Versuche, seine Philosophie dem Publikum leicht erklären zu können), kritisiert ihn
Heidegger hierfür in seinem Brief über den Humanismus.
12 Sartre ist im Gegensatz zu Heidegger erklärter Atheist, während für Heidegger eher gilt, dass er
A-Theist ist. Sartres in L’Existentialisme est un humanisme vorgenommene Unterscheidung von
atheistischen (Sartre, Heidegger) und christlichen Existenzialisten (Jaspers, Marcel) ist zumindest
etwas grobschlächtig.
6/6
7. Sartres Ontologie
Als Ontologe steht Sartre ganz in der abendländischen Tradition. Seit den alten Griechen
besteht das Seinsproblem in der Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Sein und den
Phänomenen resp. nach der eigentlichen Natur des Seins. Nach den ionischen
Naturphilosophen (Wasser, Luft als Urstoff = archè) gibt es bald solche, die abstraktere
Antworten bevorzugen: Pythagoras (Zahlenverhältnis), Parmenides (das wahre Sein als
unbewegliches, unveränderliches, ewiges Sein), Demokrit (die Welt besteht aus kleinen
unteilbaren und unveränderlichen Teilen = a-tomos
Atome), Platon (die Ideen als das
unveränderliche Sein, die Phänomene als deren nur unvollkommene Abbilder), Aristoteles
(Platons Ideen sind in den Dingen: Gegensatz von ewiger Materie/Substanz und möglicher
Form/Akzidentien
Gott als der ursprüngliche Beweger). Nachdem das Mittelalter weitgehend
Platon und Aristoteles reproduziert13, bringt Descartes eine Wende. Am Ursprung seiner
Philosophie finden wir den Gegensatz von res cogitans (Bewusstsein, mit angeborenen
Ideen) und res extensa (die materielle Aussenwelt), den wir bei Sartre als Für-sich und Ansich
wiederfinden. Descartes, der wohl französischste aller Philosophen, war der Begründer
der modernen idealistischen und rationalistischen Philosophie. Im Gegensatz zu ihm
vertraten Hobbes, Locke und Hume materialistische, empiristische resp. skeptizistische
Auffassungen. Der Mensch ist durch die Materie determiniert. Ideen sind nicht angeboren,
sondern Produkte des Menschen resp. seiner Sinne. Kants Lösung ist eine des
Kompromisses zwischen den Rationalisten und den skeptischen Empiristen. Kant
unterscheidet zwischen dem Ding als Erscheinung und dem Ding an sich, wobei letzteres
uns unzugänglich ist. Das Ding als Erscheinung richtet sich nach den Formen (Raum, Zeit)
und den Kategorien (u.a. Ursache, Wirkung, wesentlich, zufällig, möglich, notwendig) des
Verstandes. Fichte (das Sein als das absolute, unendliche Ich) und Hegel (das Absolute als
Identität von Sein/Denken, Subjekt/Objekt, Essenz/Existenz) nehmen demgegenüber rein
idealistische Positionen ein. Dagegen wehren sich einerseits Schopenhauer und Nietzsche,
bei denen der Wille (Nietzsche: Wille zur Macht) und Stimmungen statt Verstand und
Vernunft im Vordergrund stehen. Sie postulieren auch einen direkten Zugang des Menschen
zur Welt. Im Gegensatz zu Hegel stehen auch Kierkegaard und Marx. Für Kierkegaard gibt
es Logik nur im Bereich des Allgemeinen, während sie das Individuelle der Existenz nicht
erfassen kann, da das Individuum unreduzierbar ist. Marx stellt Hegel auf die Füsse, indem
er den Menschen als Produkt der Natur und durch die Arbeit gleichzeitig als Schöpfer seiner
eigenen Umwelt sieht, die sich allerdings als entfremdete Umwelt auch gegen ihn selbst
richten kann. Noch einen Schritt weiter geht der Neopositivismus, indem er die Philosophie
selbst in Frage stellt. Alles was nicht verifiziert werden kann, so alle ontologischen Fragen,
haben ihre Ursache nur in einer Verwirrung der Sprache.
In L’Être et le néant setzt sich Sartre mit diesen verschiedenen ontologischen Ansätze
auseinander, manchmal in positivem, manchmal in ablehnendem Sinne. Platons Dialektik
von Sein und Nicht-Sein findet sich bei Sartre wieder. Jeglichen Rekurs auf Göttliches wie
bei Platon, Aristoteles oder Descartes lehnt er jedoch ab. In seiner Freiheitstheorie gibt es
zwar Parallelen zu Kants Autonomie des Menschen, doch dessen Begriff des Dings an sich
stösst bei Sartre auf Opposition. Die existentialistische Kritik Kierkegaards an Hegel begrüsst
er, versucht aber zwischen den beiden zu vermitteln. Sartres Theorie des Entwurfs siedelt
Dandyk wiederum in der Nähe von Fichtes Vorstellung des absoluten Ichs an. Wie sich auch
an Sartres vermittelnden Haltung zwischen Descartes (für das Bewusstsein) und Heidegger
(für einen unmittelbaren Zugang zur Welt) erkennen lasse, sei Sartre ein extremer Dialektiker
der Philosophiegeschichte. Was das Verhältnis von Sein und Phänomenen anbetrifft, vertritt
Sartre eine sehr differenzierte Position. Mit den Operationalisten ist er der Ansicht, dass das
13 Bemerkenswert ist der Universalienstreit im Mittelalter. Die Nominalisten (Roscelin, Abaelard)
vertraten gegen die mittelalterlichen Platoniker (Anselm von Canterbury) und Aristoteliker (Thomas
von Aquin) die Auffassung, dass die Allgemeinbegriffe bloss zusammenfassende Worte seien, denen
keinerlei Wirklichkeit zu kommt. Unter den Philosophen der Zeit vor Descartes stehen die
Nominalisten des Mittelalters zusammen mit den Sophisten der griechischen Antike Sartre zweifellos
am nächsten. Im L’Idiot de la famillle spricht Sartre von seinem „nominalistischen Standpunkt.“
7/7
Sein in den Phänomenen gegenwärtig ist und es keine Welt hinter den Phänomenen gibt.
Ihre Haltung, dass sich das Sein auf das Phänomen reduziere, ist für Sartre aber
unannehmbar. Vielmehr verweist Sartre auf die Transphänomenalität des Seins. Das Sein
löst sich nicht im Phänomen auf. Die Dinge sind unabhängig von der Wahrnehmung. Das
Phänomen zeigt sich so, wie es ist. Wir erfassen dies intuitiv mittels unseres
vorontologischen Verständnisses. Damit versucht Sartre den Phänomenismus Husserls mit
einer „Theorie der Hinterwelten“, der Theorie einer Welt hinter den Phänomenen, zu
verbinden. Eine Implikation dieser Auffassung von Sein und Phänomen ist Sartres
Ablehnung der aristotelischen Begriffe von Potentialität und Aktualität. Es gibt kein Wesen in
einem Seienden. Das Genie Prousts ist nicht sein Vermögen, sondern das Werk Prousts als
Manifestation seiner Person. Entsprechend – wie Sartre in Huis clos aufzeigte – ist der
Mensch das, was er getan hat. Und nochmals verweist Dandyk auf die Bedeutung der
Stimmungen bei Sartre, wie sie zuvor schon Pascal, Schopenhauer und Heidegger kannten.
Stimmungen wie Ekel, Langeweile, Scham, Mitleid, Begierde erschliessen dem Menschen
seine Seinsweise – im Gegensatz zu Husserl, der mit Stimmungen wenig anfangen konnte
und mittels der epochè alle Seinsurteile einklammerte. Dass Heidegger wieder die
Bedeutung der Seinsfrage hervorgehoben hatte, ist nach Sartre Heideggers grosses
Verdienst im Vergleich zu Husserls Phänomenismus.
8. Gegen Berkeley
Berkeley bestreitet die Existenz äusserer materieller Objekte. Esse est percipi, Sein ist
Wahrgenommen werden. Die menschliche Wahrnehmung ist nur eine Modifikation der
Vorstellungen Gottes. Sartre bestreitet dies und beharrt sowohl gegenüber Berkeley wie
gegenüber Husserl und dessen Einklammerung der Seinsfrage auf der Transphänomenalität
des Seins.
9. Das präreflexive Bewusstsein
Während Erkennen reflexiv ist, ist Erleben präreflexiv. Dieser Unterschied zwischen
reflexivem und präreflexivem Bewusstsein ist zentral für Sartres Philosophie. Ersteres ist das
reflektierende Nachdenken über sich, letzteres das Bewusstsein von den Dingen und nicht
reflektierendes Bewusstsein (von) sich. Es ist direktes Weltbewusstsein und umfasst insofern
Heideggers In-der-Welt-Sein. Diese Unterscheidung ist spezifisch für Sartre, findet sich
jedoch schon ähnlich bei Nicolai Hartmanns Unterscheidung von intentio recta und intentio
obliqua.
10. Gegen Descartes
Sartre lehnt Descartes substanzialisierten Begriff des cogito ab. Auch lassen sich für Sartre
die Dinge der Welt und das präreflexive Bewusstsein nicht voneinander trennen. Vielmehr
findet das Bewusstsein seine Stütze im An-sich. Das Bewusstsein ist keine frei über der Welt
schwebende Entität, sondern durch den Bezug zu dieser Welt definiert. Und
selbstverständlich lehnt Sartre auch Descartes Theismus ab.
11. Das An-sich-sein14
Das An-sich kann dreifach bestimmt werden. Erstens, es ist an sich, d.h. es hat keinen
Bezug zu sich selbst. Es ist reine Positivität, Seinsfülle. Zweitens, es ist das, was es ist. Als
solches ist es bloss. Alleine kann es nicht werden. Fürs Werden ist immer ein Zeuge nötig.
Drittens, es ist, d.h. es ist kontingent, ohne Bezug zum Mögl
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